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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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zu, sie nicht zu verlassen, sie siegreich aus dem Unheil herauszuführen. Sie hatte sogleich an eine künstliche Fehlgeburt gedacht, wartete noch einige Tage, und sprach Reine dann von diesem Hilfsmittel, ohne aber mehr zu erreichen, als sie in eine neue Krise des Entsetzens und der Tränen zu stürzen. Lange Zeit hatte Reine geglaubt, daß ihre Mutter im Wochenbette gestorben sei, so wie man es ihr erzählt hatte; und erst durch die Indiskretion Sérafinens selbst hatte sie im Laufe ihrer intimen Vertraulichkeit endlich die Wahrheit erfahren, den verbrecherischen Eingriff, den Tod in einer schmutzigen Höhle; so daß sie nun, von abergläubischer Furcht erfaßt, in höchste Erregung geriet und schrie, sie werde gewiß sterben wie ihre Mutter, wenn sie sich zu denselben Manipulationen hergebe. Im übrigen fand Sérafine bei reiflicherem Nachdenken, daß eine Hebamme zu gewagt, zu gefährlich sei; man mußte sich ihr ganz ausliefern, und die, deren sie sich einst selbst bediente, hatte auf sie einen Eindruck von drohender Habgier und Gemeinheit gemacht, dessen sie sich noch jetzt schaudernd erinnerte. Da keimte ein andrer Gedanke in ihrem Kopfe, ein stolzerer und kühnerer Plan: daß ihre junge Freundin die Gelegenheit benutzen solle, um sich gleich ihr operieren zu lassen, wodurch sie mit einem Schlage aus ihrer jetzigen schlimmen Lage befreit und für immer vor der Gefahr der Mutterschaft gesichert würde. Sie sprach diesen Gedanken vorsichtig gegen sie aus, erzählte ihr, daß sie von Chirurgen gehört habe, die an das Vorhandensein einer Neubildung geglaubt hatten und erst bei der Operation ihres Irrtums gewahr wurden. Warum sollten sie sich nicht an einen solchen Arzt wenden? Um so mehr, als die Operation ganz gefahrlos sei; sie führte sich selbst als Beispiel an, pries die Sicherheit, deren sie sich jetzt erfreute, erzählte von ihren schamlosen Schwelgereien, von all dieser tollen Sinnenlust, deren zerstörenden Einfluß sie sich noch nicht eingestand: ein plötzliches Welkwerden, das ihre stolze Schönheit bereits mit einigen Runzeln beeinträchtigte. Als sie sah, daß Reine erschüttert war, sprach sie ihr von ihrem Vater, hielt ihr vor, daß sie in dem Falle bei ihm bleiben könne, da er sich so gegen den Gedanken sträube, sie zu verheiraten, und da auch sie es vorziehe, frei, ohne Bande und Pflichten zu leben. Sei es denn nichts, nach Gefallen, nach der Laune des Augenblicks zu lieben, sich dem Manne zu geben, nach dem sie verlange, in der Sicherheit, niemals Mutter zu werden, sich immer wieder zurücknehmen zu können? Sie werde unumschränkte Herrin ihres Lebens bleiben, sie werde jede Trunkenheit kennen lernen und auskosten können, ohne Furcht und ohne Reue. Sie habe lediglich geschickt genug zu sein, das Geheimnis ihrer Freuden zu bewahren, eine kleine erlaubte Verstellung, die dem zärtlichen und schwachen Morange gegenüber, der seine Tage im Bureau verbrachte, leicht durchzuführen sei. Und als sie sah, daß es ihr gelungen war, sie zu beruhigen, sie zu überzeugen, umarmte sie sie mit leidenschaftlicher Heftigkeit, nannte sie ihr liebes Kind, entzückt von dieser neuen, so jungen und schönen Proselytin.
    Nun handelte es sich nur darum, den Chirurgen zu finden, der sich zu der Operation herbeilassen würde. Sie dachte keinen Augenblick an Gaude; dieser war ein zu großer Herr, um sich mit solchen Dingen abzugeben. Aber sofort hatte sie ihren Mann gefunden, Sarraille, den Schüler Gaudes, den, der dem Meister bei ihrer Operation assistiert hatte. Sie kannte ihn recht gut, hatte in der Zeit ihrer Rekonvaleszenz seine Geständnisse empfangen, wußte, daß er über seine Häßlichkeit wütete, über diese plumpe und fahle Maske, mit dem spärlichen Barte, den starren, an den Schläfen klebenden Haaren, welche, wie er mit Verbitterung sagte, ihn verhinderte, jemals bei den Frauen, seinen Patientinnen, Erfolg zu haben. Seine Existenz war dadurch verfehlt, die Zukunft war ihm verriegelt, er trieb dem Verfall, vielleicht dem Kerker zu. Einziger Sohn eines armen Bauern, hatte er während seines Studiums wie ein herrenloser, um Futter bettelnder Hund leben müssen, war gezwungen gewesen, ganze Nächte mit mechanischer Arbeit zu verbringen, um seine Kollegiengelder bezahlen zu können. Und nun, nach den Jahren des Spitaldienstes, war er, trotz der Protektion Gaudes, der an seinem düsteren Ehrgeiz Gefallen fand, wieder dem Nichts anheimgefallen. Ohne jede feste Praxis, hatte er, um nur leben zu können,

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