Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
sich zu nehmen, glücklich, in dieser Weise seine Achtung für den wachsenden Reichtum seiner lieben Cousins, wie er sie nannte, bezeigen zu können.
    Mathieu wurde in Constances kleinen gelben Salon geführt und fand sie im Begriffe, in Gemeinschaft mit Madame Angelin nach ihrer Rückkehr von der Hebamme den Tee zu nehmen. Zweifellos hatte das unerwartete Eintreffen Beauchênes den vertraulichen Austausch ihrer bewegten Gefühle in unwillkommener Weise unterbrochen. Unter dem Vorwand einer kurzen Reise war er wieder zum Zwecke irgendeiner Ausschweifung fortgeblieben, zu einem seiner gewöhnlichen Abenteuer mit irgendeiner blonden Straßenbekanntschaft; und er ermüdete die beiden Frauen durch lärmend vorgetragene Lügen, noch ein wenig trunken, mit schwerer Zunge, übernächtigen, geränderten Augen, in schamloser Behaglichkeit über seine Lebensfreuden.
    »Ah, mein Lieber!« rief er »ich erzähle den Damen eben von meiner Reise nach Amiens. Man bekommt da ganz großartige Entenpasteten.«
    Als sodann Mathieu von Blaise zu sprechen anfing, erging er sich in lebhaften Freundschaftsbeteuerungen: das sei eine abgemachte Sache, Mathieu solle ihm den jungen Mann nur herbringen, er werde ihn zuerst Morange an die Seite geben, damit er einen Einblick in den Mechanismus des Hauses gewinne. Und er atmete geräuschvoll, er spuckte, er verbreitete den Duft von Tabak, Alkohol und Moschus, den er von seinen Weibern mitbrachte; während seine Frau, die ihm, wie stets vor der Welt, zärtlich zulächelte, manchmal, wenn Madame Angelin den Kopf wandte, empörte, von unendlichem Widerwillen erfüllte Blicke auf ihn richtete.
    Während Beauchêne fortfuhr, zuviel zu sprechen, wobei er bekannte, daß er nicht wisse, wie weit die Herstellung der Dreschmaschine fortgeschritten sei, bemerkte Mathieu, daß Constance mit Unbehagen zuhörte. Der Eintritt Blaises in die Fabrik hatte sie schon ernst gestimmt; sie litt unter der Unwissenheit, in der sich ihr Mann offenbar über die Tätigkeit des Hauses befand; und dann war das Bild Norinens wieder aufgetaucht, die unauslöschliche Erinnerung an das Kind, die Furcht vor irgendeinem neuen geheimen Einverständnis zwischen den beiden Männern. Mathieu, der ihre Gedanken erriet, begann daher von den schönen Resultaten der Operationen Gaudes zu erzählen, von seinem Zusammentreffen mit Cécile sowie seinem Besuch bei Euphrasie. Die beiden Frauen schauderten, während Beauchêne, sehr erregt, sich ungemein über die heiklen Einzelheiten unterhielt, die er ihn zwang, seinen Hörerinnen zuteil werden zu lassen. Plötzlich stieß die Mutter einen Ruf der Erleichterung aus:
    »Ah, da ist Maurice!«
    Ihr Sohn war eingetreten, der einzige Gott, auf den sie nun alle ihre Liebe, allen ihren Stolz vereinigte, der Erbprinz, der morgen König werden, der das Reich vor Vernichtung retten würde, um sie sodann zu seiner Rechten zum höchsten Glanz zu erheben. Sie fand ihn schön, groß, unwiderstehlich mit seinen neunzehn Jahren, wie die Ritter der Legenden. Als er erzählte, daß er sich mit Vorteil aus einer unangenehmen Sache gezogen habe, die von seinem Vater schlecht eingeleitet worden war, sah sie ihn alle Wunden heilen, den Sieg wieder erobern. Und sie strahlte vollends vor Triumph, als er versprach, daß die Dreschmaschine vor Ablauf der Woche geliefert werden würde.
    »Mein liebes Kind, du solltest eine Tasse Tee trinken. Du strengst deinen Kopf zu sehr an, das wird dir gut tun.«
    Er willigte ein und sagte heiter: »Es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ich nun in der Rue de Rivoli von einem Omnibus überfahren worden.«
    Sie wurde bleich, die Tasse entglitt ihren Händen. Großer Gott, ihr Glück hing also von der Gnade eines Zufalls ab! Und wieder überlief sie die schreckliche Ahnung, dieser eisige Hauch, der, sie wußte nicht woher, kam und ihr das Mark in den Knochen erkältete.
    »Aber du Närrchen,« sagte Beauchêne mit seinem Lachen, »du siehst ja, daß er den Omnibus beschädigt hat, da er da vor dir steht und dir die Sache erzählt. Ach, mein armer Maurice, du hast eine sehr komische Mama. Ich, der ich weiß, wie ich dich gebaut habe, ich bin ganz ruhig, wie du siehst.«
    An diesem Abend machte Madame Angelin die Rückfahrt nach Janville gemeinschaftlich mit Mathieu. Im Coupé, in welchem sie sich allein befanden, stürzten ihr, ohne erkennbare Ursache, wieder Tränen aus den Augen. Sie entschuldigte sich und sagte leise, halb wie zu sich selbst: »Ein Kind haben und es verlieren,

Weitere Kostenlose Bücher