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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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von der ruhigen Gefühllosigkeit, mit der er ihr gesagt hatte, daß sie nie mehr ein Kind haben werde. Sein Verdammungsurteil war bedingungslos, sie konnte nur noch sich von Charlatanen ausbeuten lassen, die sie mit Lügen hinhalten würden. Für ihn war die Zusammenziehung als Folge von wiederholten und schließlich chronisch gewordenen Entzündungen außer allem Zweifel. Und damit war er fertig, und er hatte eine Art belustigten Erstaunens über den Schmerz gezeigt, in den er sie stürzte, wobei er ihr auch zu verstehen gab, daß eine verspätete Schwangerschaft in ihrem Alter eine Katastrophe bedeute. So viele andre unter seinen Patientinnen wären so glücklich über die frohe Botschaft gewesen! Zu Hunderten hatte er sie kastriert, und er fuhr fort, sie zu Hunderten zu kastrieren, unbekümmert seinen lauten Frohmut bewahrend, der schöne Operateur; der, wie er oft sagte, überzeugt war, daß seine lieben kleinen Messer an dem Reichtum und der Freude der Welt arbeiteten.
    »Erlügt, er lügt!« schrie Sérafine wütend. »Er ist ein Mörder, und er hat meine Freuden gemordet!«
    »Als ich von ihm fortging,« schloß Constance, »glaubte ich, daß ich die Treppen hinunterfallen werde… Gleichviel! Er hat recht gehabt, brutal zu sein. Jetzt weiß ich wenigstens, daß es aus ist, ganz aus, für immer!«
    Und auch sie brach in Schluchzen aus. Lange beweinte Constance ihre Mutterschaft, auf demselben Platze, auf dem Sérafine ihre Freuden beweint hatte, während Mathieu sie nun eine in den Armen der andern sah, die Sittenstrenge und die Sittenlose, die Mutter und die Hetäre, zueinander gedrängt, miteinander verbunden, in derselben Verzweiflung über ihr Unvermögen.
    Als Constance ihre Schwägerin verließ, bat sie Mathieu, sie nach Hause zu begleiten. Sie hatte ihren Wagen weggeschickt, sie wollte zu Fuße gehen, um sich ein wenig zu fassen. Und Mathieu sah bald, zu welchem geheimen Zwecke sie diese Gelegenheit ergriffen hatte, um ihn mit sich zu führen.
    »Mein lieber Cousin,« sagte sie plötzlich, als sie langsamen Ganges auf den menschenleeren Kais angelangt waren, »verzeihen Sie. wenn ich wieder auf einen peinlichen Gegenstand zurückkomme, aber ich leide zu sehr, dieser letzte Schlag gibt mir den Rest… Das Kind meines Mannes, das Kind, welches er mit jenem Mädchen gehabt hat, verfolgt mich, foltert meinen Verstand und mein Herz. Wollen Sie mir einen großen Dienst erweisen? Stellen Sie die Nachforschungen an, deren Sie mir erwähnt haben, suchen Sie zu erfahren, ob es lebt oder tot ist. Ich glaube, ich werde wieder Frieden haben, wenn ich das weiß.«
    Überrascht, war Mathieu auf dem Punkte, ihr zu sagen, daß dieses wiedergefundene Kind ihr nicht das Kind geben würde, welches nicht haben zu können sie so in Verzweiflung stürzte. Er hatte wohl gefühlt, welch schneidenden Schmerz es ihr bereitete, zu sehen, daß Blaise in der Fabrik den Platz Maurices einnahm, besonders seit Beauchêne, zu seinen Orgien zurückkehrend, die Last der Führung auf ihn abwälzte, ihm täglich größere Machtvollkommenheit überließ. Die junge Ehe gedieh, Charlotte hatte wieder ein Kind bekommen, diesmal einen Knaben, – und welche Drohung dereinstiger Besitzergreifung bildete dieser neue, Früchte treibende Stamm, jetzt, da sie, für immer unfruchtbar, nie mehr den rechtmäßigen Erben, den so vergötterten Kronprinzen haben würde, der den fremden Eindringlingen den Weg versperren könnte! – Ohne das seltsame Gefühl ergründen zu wollen, unter dessen Herrschaft sie handelte, dachte er, daß sie ihn vielleicht nur auf die Probe stellen wolle, um zu sehen, ob er nicht mit seinem Sohne Blaise gemeinsame Sache mache, um den Plan der Plünderung durchzuführen. Vielleicht würde er ängstlich werden, sich weigern, irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Das brachte ihn zum Entschluß, denn er glaubte fest an den Sieg der Lebenskräfte, ohne daß es berechnender eigennütziger Winkelzüge bedürfte.
    »Ich stehe Ihnen zur Verfügung, liebe Cousine. Es genügt mir, daß Sie sich hiervon einige Erleichterung versprechen. Und wenn das Kind lebt, soll ich es Ihnen zuführen?«
    »O nein, o nein, das will ich nicht!«
    Und mit erstickter Stimme, mit irrer Gebärde fügte sie hinzu: »Ich weiß nicht, was ich will, ich leide Todesqualen!«
    Sie log nicht, sie hatte keinen bestimmten Plan gefaßt in dem Sturm, der in ihr tobte. Dachte sie an diesen möglichen Erben? Würde sie in ihrem Haß gegen den erobernden Fremdling je

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