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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einen Geldgeber zu verschaffen; und da hatte denn der junge Mann das Geld selbst vorgestreckt, zweifellos das Geld seines Vaters, das dieser hergeliehen hatte, erfreut, es im Namen seines Sohnes in der Fabrik anlegen zu können. Und um diese Angelegenheit nun zu regeln, war einfach vereinbart worden, die Eigentümerschaft des Hauses in sechs Teile zu zerlegen, deren einer auf Blaise an Zahlungs Statt übertragen werden sollte. Dieser wurde also zu einem Sechstel Miteigentümer der Fabrik, wenn nicht Beauchêne dieses Sechstel bis zu einem gewissen Zeitpunkte zurückkaufte. Die größte Gefahr aber war, daß Beauchêne, anstatt sich zu befreien, der Versuchung erliegen könnte, auch die übrigen Teile einen nach dem andern zu verkaufen, da er unaufhaltsam auf der Bahn der Vergeudung und des sinnlosen Tuns nach abwärts glitt.
    Constance hatte zitternd und erbleichend zugehört.
    »Das ist schon unterzeichnet?«
    »Nein, noch nicht. Aber die Schriftstücke sind bereit, und die Unterschriften werden in den nächsten Tagen gewechselt werden. Es ist dies übrigens eine billige Lösung und die durch die Umstände gebotene.«
    Aber sie war offenbar nicht dieser Ansicht; ihr ganzes Wesen empörte sich, sie suchte mit aller Kraft ihrer Seele nach einem Hindernis, nach irgendeinem unbesieglichen Mittel, um ihren Untergang, ihre Schande aufzuhalten.
    »Mein Gott, was fang’ ich an? Was soll ich tun?«
    Und in ihrer verzweiflungsvollen Wut, daß sie nichts finden konnte, daß sie ohnmächtig war, rief sie aus: »Oh, dieser elende Blaise!«
    Der gute Morange war darüber bestürzt. Er hatte noch nicht begriffen. Er trachtete daher, sie zu beruhigen, erklärte ihr, daß Blaise ein wackerer Mann sei, der sich in dieser Sache tadellos benommen habe, bemüht gewesen sei, den Skandal zu unterdrücken, und sich sogar sehr uneigennützig gezeigt habe. Und da sie, nun sie alles wußte, sich erhoben hatte, damit die zu Fuße zurückkehrenden Männer sie nicht hier träfen, erhob sich der Buchhalter gleichfalls, um sie durch die Galerie zu ihrer Wohnung zurückzubegleiten.
    »Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, Madame, daß dieser junge Mann sich von keinerlei niedriger Berechnung hat leiten lassen. Alle Schriftstücke gehen durch meine Hand, niemand ist besser unterrichtet als ich. Wenn ich irgendwelche Machenschaften vermutet hätte, so hätte ich den Mut gefunden, mich für Ihre Güte erkenntlich zu zeigen, indem ich Sie benachrichtigte.«
    Sie hörte ihm nicht mehr zu und hatte nur mehr den Wunsch, ihn los zu werden. In diesem Augenblicke brach der seit langem drohende Gußregen los und peitschte wütend die Fensterscheiben. Der Himmel war von einer so schwarzen Wolle verdunkelt, daß es beinahe Nacht wurde, obgleich es kaum vier Uhr war. Sie dachte nun, die drei würden bei einem solchen Regen sicher einen Wagen nehmen. Und sie beeilte ihre Schritte, immer von dem Buchhalter gefolgt.
    »Nehmen Sie ein Beispiel,« fuhr dieser fort. »Als der Vertrag aufgesetzt wurde…«
    Er unterbrach sich plötzlich, stieß einen dumpfen Ruf aus und riß sie entsetzt zurück.
    »Geben Sie acht!«
    Vor ihnen öffnete sich ein Abgrund. Es befand sich hier, am Ende der Fabrikgalerie, ehe man in den Verbindungsgang einbog, der ins Wohnhaus führte, ein starker Dampfaufzug, der dazu diente, einzelne Stücke in den Verpackungsraum hinabzubefördern. Er wurde jedoch nur an gewissen Tagen benutzt. In der Regel war die große Falltür geschlossen; und wenn der Aufzug in Benutzung war, befand sich stets ein Mann da, der ihn bewachte und seine Tätigkeit regelte.
    »Geben Sie acht, geben Sie acht!« wiederholte Morange, starr vor Schrecken.
    Der Aufzug war hinabgelassen, und die ungeheure Öffnung gähnte zu ihren Füßen. Es befand sich kein Schutzgitter da, nichts was sie warnte, was sie hätte abhalten könnnen, den grausigen Sturz zu machen. Der Regen schlug noch immer an die Scheiben, die Galerie war so dunkel, daß sie nur so vor sich hingegangen waren, ohne etwas zu sehen. Noch ein Schritt, und sie wären hinabgestürzt. Es war wie ein Wunder, daß der Buchhalter, beunruhigt durch die zunehmende Dunkelheit, den Abgrund, von dessen Vorhandensein er wußte, mehr gefühlt als gesehen hatte. Constance, die noch nichts sah, wollte sich aus dem krampfhaften Griffe Moranges losmachen.
    »Aber sehen Sie doch nur!« rief er.
    Er neigte sich vor und veranlaßte sie, sich auch über die Öffnung zu beugen. Der Aufzugschacht ging hier gleich einem finsteren Brunnen

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