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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gemacht. Es ist nicht wahr, daß sie den Menschen als Strafe für die Sünde auferlegt ist, sie ist im Gegenteil eine Ehre, ein Schmuck, das kostbarste der Güter, das Glück, die Gesundheit, die Kraft, die Seele der Welt, die selbst unaufhörlich in der Arbeit, in der Schaffung der Zukunft begriffen ist. Es ist Arbeit, Kinder in die Welt zu setzen, es ist Arbeit, naturgemäß zu leben, ohne unsinnige Verdrehtheit, und der gleichmäßige Rhythmus des Tagewerkes bewegt die Welt vorwärts auf der Bahn in die Ewigkeit ihrer Bestimmung. Und das Elend, das verabscheuungswürdige soziale Verbrechen wird verschwinden in dieser Verherrlichung der Arbeit, in dieser Verteilung der allgemeinen Aufgabe auf alle, in der jedem sein Gebührendes an Pflichten und Rechten zugemessen sein wird. Mögen die Kinder nur entstehen, sie werden immer nur Werkzeuge des Reichtums sein, Vermehrung des menschlichen Kapitals, Beförderer einer freien und glücklichen Zukunft, ohne daß die Kinder der einen die Beute, das Fleisch für die Schlachtbank oder die Prostitution, im Dienste des Egoismus der andern sein dürfen. Und das Leben wird wieder siegreich sein, wird verehrt und geliebt werden, triumphierend auferstehen wird die Religion des Lebens, die so lange unter dem entsetzlichen Alpdruck des Katholizismus gelegen hat, welchen die Völker schon zweimal, im fünfzehnten und achtzehnten Jahrhundert, heftig versucht haben abzuschütteln, und von welchem sie sich endlich befreien werden an dem Tage, da die fruchtbare Erde, die fruchtbare Frau wieder der Kultus, die Allmacht und die höchste Schönheit werden geworden sein.
    In dieser letzten Stunde, in dem strahlenden Abend, herrschten Mathieu und Marianne durch ihr zahlreiches Geschlecht. Ein bewunderungswürdiges, heldenhaftes Vordringen hatte sie zu dieser Herrscherwürde emporgeführt. Sie endeten als Helden des Lebens, als erhabene Greise, weil sie viel Kinder gezeugt, viel Wesen und Dinge geschaffen hatten. Und das unter Kämpfen, unter Arbeit, unter Schmerzen. Oft hatten sie geweint. Dann war mit dem hohen Alter der Frieden gekommen, der große, lächelnde Frieden, entstanden aus dem Bewußtsein vollbrachter Pflicht, aus der Gewißheit baldigen tiefen Schlafes, während ihre Kinder, die Kinder ihrer Kinder, rings um sie ihrerseits kämpften, arbeiteten, litten, lebten. Und zu ihrer Heldengroße gehörte auch die Begierde, von der sie durchglüht worden waren, die göttliche Begierde, die die Welt aufbaut und bewegt, die in Flammenstürmen über sie hingefahren war, so oft sie ein neues Kind gezeugt hatten. Sie waren gleich dem heiligen Tempel, in welchem der Gott stets gegenwärtig gewesen, sie hatten sich mit der unauslöschlichen Flamme geliebt, von der das Weltall brennt, um der ewigen Zeugung willen. Ihre strahlende Schönheit unter ihren weißen Haaren kam von diesem Lichte, das noch immer ihre Augen erfüllte, von dieser Kraft zu lieben, die das Alter nicht hatte verlöschen können. Sicherlich hatten sie, wie sie einst scherzhaft sagten, alles Maß überschritten in ihrem Leichtsinn, nur immer Kinder hervorzubringen, der ihre Nachbarn geärgert, die allgemein gültige Sitte mißachtet hatte. Aber hatten sie zum Schlusse nicht recht behalten? Ihre Kinder hatten niemandes Teil geschmälert, jedes hatte seine Lebensmittel mitgebracht. Und dann ist es gut, zu viel zu ernten, wenn die Scheuern des Landes leer sind. Es bedürfte vieler solcher Leichtsinniger, um die egoistische Klugheit der andern wettzumachen, in den Zeiten großer Not. Hier war das gute bürgerliche Beispiel, inmitten schrecklicher Vernichtungen wurde die Rasse wieder gestärkt, das Vaterland wieder aufgerichtet durch die schöne Sucht nach Vermehrung, durch die fröhliche und gesunde Verschwendung, die mit beiden Händen ausstreut.
    Und nun verlangte das Leben noch einen letzten Heroismus von Mathieu und Marianne. Einen Monat später, als Dominique sich vorbereitete, wieder nach dem Sudan zurückzukehren, sprach ihnen Benjamin eines Abends von seiner leidenschaftlichen Sehnsucht, von dem unwiderstehlichen Rufe, der aus der fernen, unbekannten Ebene zu ihm drang, und dem er folgen mußte.
    »Geliebter Vater, teuerste Mutter, laßt mich mit Dominique fortgehen! Ich habe gekämpft, ich verabscheue mich selbst, daß ich euch in euerm Alter verlasse. Aber ich leide zu sehr, mein Herz ist so erfüllt von der Unendlichkeit, daß es droht zu zerspringen; und ich werde vor Scham über meine Nutzlosigkeit sterben, wenn ich

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