Fruchtbarkeit - 1
Frankreich in der Ferne geboren, ein unbegrenztes Reich, und es bedarf unsers Blutes, wir müssen es ihm geben, damit es sich bevölkere, damit es dem Boden seine unschätzbaren Reichtümer abgewinne, damit es das reichste, das stärkste, das gebietendste Land der Welt werde.«
Von Begeisterung durchglüht, erbebend vor dem fernen, endlich sichtbar gewordenen Ideal, hatte Benjamin die Augen voll Tränen. Da war es das starke Leben, das edle Leben, das andre! Die Lebensaufgabe, das Lebenswerk, von dem er bisher nur unklar geträumt hatte! Er fragte abermals:
»Und gibt es dort viele französische Familien gleich der eurigen, die kolonisieren?«
Dominique lachte laut auf.
»Das nun gerade nicht! Es gibt wohl einige Ansiedler auf unsern alten Besitzungen in Senegal. Aber dort tief im Tale des Niger, jenseits Dschenne, glaube ich, daß wir die einzigen sind. Wir sind die Pioniere, die kühne Vorhut, die Wagehälse der Zuversicht und der Hoffnung. Und wir dürfen uns einiges Verdienstes dabei rühmen, denn den verständigen Leuten erscheint das, was wir getan, einfach ein Glücksspiel gegen die gesunde Vernunft. Stellt es euch nur einmal vor! Eine französische Familie mitten unter den Wilden angesiedelt, die keinen andern Schutz hat als die Nachbarschaft eines kleinen Forts, wo ein weißer Offizier ein Dutzend eingeborener Soldaten befehligt, die manchmal gezwungen ist, felbst zur Flinte zu greifen, die eine Farm anlegt inmitten eines Landes, das der Fanatismus irgendeines Stammeshäuptlings von einem Tage zum andern zur Erhebung bringen kann. Es ist ein Wahnsinn, um die Welt zu empören, und das ist’s, was uns so wohlgemut, so gesund, so siegesbewußt macht. Wir öffnen die Bahn, wir geben das Beispiel. Wir tragen unser liebes altes Frankreich dort in die Ferne, wir haben uns inmitten eines jungfräulichen Landes ein weites Gebiet geschaffen, das einmal eine Provinz werden wird, wir haben ein Dorf gegründet, das in hundert Jahren eine große Stadt sein wird. Es gibt in den Kolonien keine fruchtbarere Rasse als die französische, sie, die auf ihrem alten Boden unfruchtbar geworden zu sein scheint. Und wir werden uns vermehren, wir werden die Welt erfüllen! Kommt doch, kommt doch, ihr alle, da ihr hier zu sehr aufeinandergepfercht seid, da es euern engbrüstigen Feldern, euern überhitzten, vergifteten Städten an Licht mangelt! Da drüben ist Platz für alle, da gibt es unverbrauchten Boden, da gibt es Luft, die noch niemand geatmet hat, da gibt es eine Aufgabe zu erfüllen, die aus euch allen Helden, kraftvolle Menschen machen wird, die sich ihres Daseins freuen. Kommt mit mir, ich nehme mit Freuden Männer, ich nehme Frauen mit, und ihr werdet neue Provinzen schaffen, und ihr werdet neue Städte gründen für die zukünftige Allmacht des großen, unermeßlichen Frankreich!«
Er war so frohgemut, so schön, so tapfer, so stark, daß die ganze Tafel abermals in Beifallsrufe ausbrach. Sie würden ihm zweifellos nicht folgen, da alle diese Eheleute ihre Nester gebaut hatten, da alle diese Jugend schon zu sehr in der alten Erde festhaftete, mit den Wurzeln der Rasse, deren feuriger Abenteurergeist heute am häuslichen Herde eingeschlafen ist. Aber alle die großen und kleinen Kinder horchten begierig auf diese wunderbare Geschichte, wie auf ein Märchen, welches in ihrer Erinnerung haften und eines Tages in ihnen den leidenschaftlichen Drang nach fernen Unternehmungen erwecken würde! Die Saat des geheimnisvollen Unbekannten war ausgestreut, sie wird dereinst in einer Ernte von fabelhaftem Reichtum aufgehen.
Nur Benjamin rief inmitten des allgemeinen lauten Enthusiasmus, der seine Stimme verschlang:
»Ja, ja, ich will leben! Nimm mich mit, nimm mich mit!«
Dominique schloß nun:
»Und, Großvater, das habe ich dir noch nicht gesagt, mein Vater hat unsrer Pflanzung dort den Namen Chantebled gegeben. Oft erzählt er uns, wie du deine Besitzung hier in einem Anlauf voraussehender Kühnheit gegründet hast, während alle Welt dich verspottete, die Achseln zuckte, dich für verrückt erklärte. Und dort drüben sieht man mit demselben geringschätzigen Mitleid auf meinen Vater, denn man prophezeit uns, daß der gute Niger eines Tages unser Dorf wegschwemmen wird, wenn nicht eine räuberische Negerbande uns vorher tötet und aufißt… Oh, ich bin darüber sehr ruhig, wir werden siegen, so wie du gesiegt hast, denn der tolle Wagemut der Tat ist die höchste Weisheit. Dort drüben wird ein neues Reich der Froment, ein
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