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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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war so angeordnet, daß die beiden Frauen bequem und ungehindert sitzen konnten.
    Da sie nur vier Gedecke bemerkte, konnte sich Marianne nicht enthalten, eine Frage zu stellen, die ihr schon eine Zeitlang auf den Lippen geschwebt hatte: »Ihre Kinder habe ich noch gar nicht gesehen. Sie sind doch hoffentlich nicht krank?« »O nein, Gott sei Dank!« erwiderte Valentine. »Das fehlte nur noch. Am Morgen kommt ihre Lehrerin, und sie arbeiten bis Mittag.«
    Hierauf wagte Mathieu, der mit Marianne einen Blick getauscht hatte, seinerseits zu fragen: »Sie lassen sie also nicht mit uns essen?« »Ah nein, das nicht!« rief Séguin in zornigem Tone. »Es ist genug, daß wir sie zu ertragen haben, wenn wir allein sind. Es gibt nichts Unausstehlicheres als Kinder, wenn man Gäste hat. Und Sie können sich nicht vorstellen, wie schlecht erzogen unsre Kinder sind.«
    Ein Schweigen trat ein, und eine leichte Kälte entstand, während der Haushofmeister Eier mit Trüffeln herumreichte.
    »Sie werden sie später sehen,« sagte Valentine dann sanft. »Ich werde sie zum Dessert kommen lassen.«
    Die Mahlzeit war, trotz des Charakters enger Intimität, die ihr die Gegenwart dieser beiden schwangeren Frauen gab, sehr reich und sehr gewählt. Nach den Eiern gab es gebratene Meerbarben, ein Ragout von Schnepfen und Krebsen. Als Wein reichte man die ganze Zeit über leichten, gekühlten Champagner, weißen und roten Bordeaux.
    Auf die Bemerkung, daß dies eine Diät sei, die Doktor Boutan schwerlich billigen würde, zuckte Séguin die Achseln.
    »Bah, der Doktor verschmäht selber einen guten Bissen nicht. Er ist übrigens unausstehlich mit seinen Theorien. Wer kann wirklich wissen, was guttut oder nicht?«
    Er zeigte bereits nicht mehr das lächelnde Gesicht, das er von draußen mitgebracht hatte. Als ob alle Widerwärtigkeiten seines durch die unerwartete Schwangerschaft seiner Frau zerstörten Hauses ihm immer wieder neu zu Bewußtsein kämen, sowie er wieder den Fuß darein setzte, konnte er nicht eine Stunde zu Hause sein, ohne bitter, reizbar, fast roh zu werden. Unter seiner tadellosen Eleganz kam sein krankhafter, verderblicher und zersetzender Geist, das Brutale und Grausame in ihm, um so schneller zum Vorschein, als er von der fortwährenden Gereiztheit über sein aus der Bahn gebrachtes, zerfahrenes Leben beherrscht war. Wenn er die Nächte am Spieltisch verbrachte, wenn er zu seinen Maitreffen zurückkehrte, so war dies einzig die Schuld seiner Frau, die, nach seinem rohen Ausdrucke, keine zum Gebrauch geeignete Frau mehr war. Und er war darob gegen sie erbittert, gefiel sich darin, sie zu quälen, wenn er von seinen Junggesellenausschweifungen heimkehrte, bekrittelte alles, was er sah, rief, daß alles immer ärger und ärger werde, als ob er in eine Hölle geraten wäre.
    Die Mahlzeit wurde dadurch stellenweise peinlich. Zwei oder dreimal flogen scharfe Worte zwischen ihnen hin und her, welche wie Dolchstiche verwundeten. Das um ein Nichts, wegen eines Gerichtes, das man auftrug, wegen einer Bemerkung, die gefallen war, wegen der Luft, die sie umgab. Ein unaufmerksamer Zuhörer mochte es vielleicht nicht einmal bemerken; aber die Waffe war vergiftet, Tränen stiegen in den Augen der unglücklichen Frau auf, während er boshaft lächelte, mit der von ihm angenommenen Miene des Weltmannes und Sportmannes, versetzt mit dem Liebhaber der Literatur und der Künste, der sich mit der Pose seines albernen Pessimismus brüstete und erklärte, daß die Welt das Pulver nicht wert sei, mit dem man sie in die Luft sprengen sollte. Jedoch ein zu rücksichtsloses Wort erweckte in ihr ein solche Empörung, daß er sich entschuldigen mußte, denn er fürchtete sie, wenn das Blut der Vaugelade sich in ihr aufbäumte, so daß sie ihn mit kalter Verachtung niederschmetterte und ihm zu verstehen gab, daß sie sich eines Tages rächen werde. Eine abermalige Kälte verbreitete sich über die blumengeschmückte Tafel.
    Und während dann Valentine und Marianne, einem unwiderstehlichen Drange nachgebend, wieder anfingen, unter sich über ihren Zustand, über ihre Befürchtungen und Hoffnungen zu sprechen, kam Séguin auf einen andern Grund seiner verbitterten Gemütsstimmung zu reden, auf die vielen Unannehmlichkeiten, die ihm sein großer Besitz Chantebled verursache. Das Wild werde dort immer weniger zahlreich, er könne die Jagdanteile nur mehr unter Schwierigkeiten an den Mann bringen, seine Einkünfte verringerten sich von Jahr zu Jahr. Er

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