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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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verhehlte auch nicht, daß er froh wäre, wenn er Chantebled losschlagen könnte; aber wo einen Käufer für diese unproduktiven Wälder, für diese unfruchtbaren Ländereien, diese Sümpfe und Steinfelder finden? Mathieu hörte aufmerksam zu, denn er hatte sich während seiner weiten Streifungen im letzten Sommer für den Besitz zu interessieren angefangen.
    »Glauben Sie wirklich,« sagte er, »daß man den Boden nicht kultivieren könnte? Es ist traurig, all dieses brachliegende Land zu sehen.«
    »Kultivieren!« rief Séguin. »Dieses Wunder möchte ich sehen! Der Boden wird nie etwas andres tragen als Steine und Frösche.«
    Man war beim Dessert, und Marianne erinnerte Valentine, daß sie ihr versprochen habe, die Kinder kommen zu lassen, indem sie sagte, sie würde sich so freuen, sie zu sehen und zu küssen, als ein Zwischenfall eintrat, der sie aufs neue davon abbrachte.
    Der Haushofmeister hatte sich der Hausfrau genähert, um ihr halblaut zu sagen: »Monsieur Santerre fragt, ob Madame ihn empfangen will.«
    Sie stieß einen Ruf freudiger Ueberraschung aus: »Ah, er erinnert sich unser also doch noch! Gewiß, lassen Sie ihn eintreten.«
    Und als Santerre, nach kurzem Zögern, da er sah, daß man noch bei Tische saß, sich ihr genähert hatte, um ihr die Hand zu küssen, sagte sie in ihrem leidenden Tone: »Sie sind also nicht gestorben, lieber Freund? Es sind nun mehr als vierzehn Tage, daß ich Sie nicht gesehen habe. Nein, nein, entschuldigen Sie sich nicht; das ist ja nur natürlich, alle Welt verläßt mich.«
    Séguin lächelte wieder ironisch, während er dem jungen Manne die Hand schüttelte, denn er nahm sich seinen Teil des Vorwurfs. Die Wahrheit war, daß Santerre, als er seinen Verführungsfeldzug plötzlich durch diese unwillkommene Schwangerschaft unterbrochen sah, es für gut befunden hatte, seine Besuche etwas seltener werden zu lassen. Gleich dem Gatten fand er wahrscheinlich Valentine wenig begehrenswert und fühlte sich in ihrer Gesellschaft unbehaglich. Er hatte also beschlossen, vorerst das Ereignis abzuwarten, indem er den entscheidenden Angriff auf später verschob. Aber die seltenen Male, da er kam, zeigte er sich deshalb nicht weniger zart und schmeichlerisch, wohl wissend, wie sehr sie, die von ihrem Gatten brutalisierte und tiefverletzte Frau, ihm dafür erkenntlich bleiben werde.
    »O Madame, mir das, der ich nur aus Rücksicht für Sie so selten komme, um Sie nicht zu belästigen! Außerdem muß ich, wie sie wissen, jetzt den Proben meines Stückes beiwohnen, und meine Zeit ist daher sehr stark in Anspruch genommen.«
    Dann überschüttete er sie sogleich mit überschwenglichen Komplimenten: »Sie find entzückend in dieser Bluse, die eine andre Frau entstellen würde. Jawohl, entzückend, ich halte das Wort aufrecht, und noch nie habe ich Sie so frisch aussehend gefunden!«
    Séguin hörte das mit boshafter Freude, denn er nahm das alles für Spott. In seiner rohen Eifersucht hatte er natürlich nicht einen Augenblick daran gedacht, daß Santerre je der Geliebte seiner Frau gewesen sein oder werden könnte, die er ihm fast in die Arme warf, indem er einer sittenlosen Kameradie zwischen ihnen Vorschub leistete und zu einer ungezügelten Freiheit der Rede das Beispiel gab. Wenn er in seinen Anfällen sinnloser Wut ihr zuschrie, daß das Kind nicht von ihm sei, verstieg er sich sogleich bis zu den gemeinsten Verdächtigungen, beschuldigte sie, sich dem ersten besten hingegeben zu haben. Aber Santerre, der war nur der gute Freund, den er eines Tages hatte zu seiner Frau führen wollen, während sie im Bade war, um ihm zu zeigen, wie drollig sie im Wasser aussehe.
    »Wie er sich über dich lustig macht,« sagte er.
    Aber Valentine hatte Santerre mit einem Blicke unendlicher Erkenntlichkeit gedankt. Sie würde ihm das nicht vergessen.
    Santerre hatte sich, nachdem er Mathieu die Hand gedrückt, vor Marianne verbeugt, der Valentine ihn vorstellte. Diese zweite schwangere Frau, diese beiden formlosen Frauen, die da einander gegenüber saßen, ihre Männer zur Seite, mußten wohl eine komische Wirkung bei ihm hervorbringen, denn er verbarg die Ironie seines Lächelns unter einer verdoppelten Liebenswürdigkeit, entschuldigte sich, daß er so früh komme, während man noch bei Tisch sitze. Und da Séguin ärgerlich von der Langsamkeit der Bedienung sprach, erlaubte sich seine Frau, ihm zu erwidern, daß er alles verzögert habe, indem er auf sich warten ließ. Um ein kleines hätte es

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