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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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untergebracht. Aber ich kann Ihnen versichern, daß sie sehr brav ist, sehr arbeitsam und so tapfer, daß sie sich, trotz ihres Zustandes, in den Dienst einer andern jungen Pensionärin gestellt hat, die ein eignes Zimmer da hinter der Zwischenwand bewohnt. Das ist erlaubt, die Armen dürfen sich an die Reichen verdingen. – Was jene andre betrifft, die nur den Namen Rosine angegeben hat, oh, das ist eine Geschichte, die Victoire im Vertrauen erfahren hat –«
    Sie wurde durch das Oeffnen der Tür unterbrochen und rief aus: »Ah, da kommt gerade Victoire!«
    Mathieu sah ein kleines, blasses Mädchen eintreten, die das Aussehen einer kaum Fünfzehnjährigen hatte, mit roten, zerzausten Haaren, einer Stumpfnase, kleinen Augen, großem Munde; sie sah aus, als hätte sie die Bestürzung über ihren Unfall noch nicht verwunden, als wollte sie alle Leute um Aufklärung bitten. Und hinter dem armen Geschöpfe sah er in einer plötzlichen Vision Tausende ihrer Schicksalsgefährtinnen, die die Provinz auf das Pariser Pflaster schickt, und deren Geschichte die gleiche ist, ein langer Zug verführter und dann im Namen der bürgerlichen Tugend davongejagter Dienstmädchen. Was würde aus dieser da werden? An welch endloser Zahl von Plätzen würde sie dienen, und wieviel Schwangerschaften erwarteten sie noch?
    »Amy ist doch noch nicht fort?« sagte sie. »Ich will ihr Adieu sagen.«
    Nachdem sie den Koffer auf dem Bette bemerkt, und nachdem Norine ihr Mathieu als einen diskreten Freund vorgestellt hatte, erzählten die beiden Mädchen ihm die Geschichte der Engländerin. Man konnte freilich nichts Genaues sagen, sie radebrechte fürchterlich und war überdies so wenig mitteilsam, daß man von ihrem Leben gar nichts wußte. Aber man erzählte sich, daß sie schon vor drei Jahren im Hause gewesen sei, um sich eines ersten Kindes zu entledigen. Und das zweite wie das erstemal war sie eines schönen Morgens erschienen, ohne sich vorher angekündigt zu haben, acht Tage vor ihrer Niederkunft; und nachdem sie drei Wochen im Bette geblieben war und das Kind hatte verschwinden lassen, indem sie es dem Findelhause übergab, kehrte sie ruhig mit demselben Schiffe, das sie hergebracht hatte, in ihre Heimat zurück. Sie bewerkstelligte sogar eine kleine Ersparnis, indem sie jedesmal mit einem Retourbillett reiste.
    »Das ist sehr bequem,« sagte Norine; »es scheint, daß ihrer eine Menge so aus dem Auslande hierher kommen. Wenn das Ei in Paris gelegt wird, so müßte einer sehr schlau sein, um die Schalen zu finden. – Ich glaube, daß diese da eine Art Nonne ist, nicht eine solche, wie wir sie in Frankreich haben, sondern eine von den Frauen, die in einem Haus beisammen leben, so eine Art Betschwester. Sie steckt ihre Nase den ganzen Tag in Gebetbücher.«
    »In jedem Fall,« sagte Victoire mit Ueberzeugung, »ist sie sehr wohlerzogen, nichts weniger als schön natürlich, aber sehr höflich und nicht schwatzhaft.«
    Sie schwiegen, Amy trat ein. Mit erwachter Neugierde betrachtete sie Mathieu. Wie sonderbar, dieses große, so wenig für die Liebe geschaffene Mädchen, dieses gelbe, dürre, eckige Weib, das von Zeit zu Zeit nach Paris kam, um zwischen zwei Schiffen entbunden zu werden! Und mit welch gelassener Herzenshärte ging sie fort, ohne jede Bewegung, ohne einen Gedanken an das Kind, das sie zurückließ! Sie warf nicht einmal einen letzten Blick auf dieses Zimmer, wo sie gelitten hatte, und wollte einfach ihr leichtes Gepäck aufnehmen und gehen, als die beiden andern, viel bewegter als sie, den Wunsch aussprachen, ihr noch einen Abschiedskuß zu geben. »Lassen Sie es sich gut gehen,« sagte Norine. »Glückliche Reise!«
    Die Engländerin hielt ihr die Wange hin und berührte dann mit ihren Lippen das Haar dieses hübschen, üppigen Mädchens, wobei sie eine gewisse Schamhaftigkeit zu überwinden schien.
    » Yes, gut, gut. Sie auch.«
    »Und denken Sie an uns, und auf Wiedersehen, ja?« fügte Victoire unbedacht hinzu, nachdem sie ihr zwei feste Küsse auf den Mund gegeben hatte.
    Dieses Mal verzog Amy ihre Lippen zu einem matten Lächeln und antwortete nichts. Dann ging sie, ohne sich umzudrehen, mit ihrem ruhigen, festen Schritte hinter dem kleinen, aufgeregten Dienstmädchen hinaus, die an der Tür ausrief: »Bin ich dumm, ich bin ja eigens hereingekommen. um Ihnen zu sagen, daß Mademoiselle Rosine sich von Ihnen verabschieden will! Schnell, schnell, kommen Sie mit hinüber!«
    Als sie sich mit Mathieu allein befand, nahm

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