Frühlingsgefühle X3 (Mit Senta durch die Jahreszeiten)
über ihr Angebot. Ob er wirklich schwul war? Es wäre ein Verlust für die Damenwelt, stellte sie heimlich schmunzelnd fest. Mit einer Tasse dampfendem Kaffee saßen sie sich dann gegenüber, unterhielten sich über Gott und die Welt und stellten fest, dass sie so einiges gemeinsam hatten. Besonders punkten konnte der smarte Delikatessenfürst damit, dass er nicht, wie seine Geschlechtsgenossen, mit seinen sportlichen, finanziellen oder beruflichen Erfolgen prahlte. Senta fühlte sich in seiner Gegenwart schlicht und ergreifend wohl.
Nun, wahrscheinlich war das nur dem zu verdanken, dass sie ihn nicht im gleichen Licht sah, wie seine Artgenossen. So geriet sie erst gar nicht in Versuchung, ihn beeindrucken zu wollen. Das geschah meist unbeabsichtigt, wenn eine einigermaßen attraktive Frau einen ebensolchen Mann traf. Unterarmnässe und eine erhöhte Atemfrequenz blieben ihr somit erspart.
Im Laufe der Unterhaltung kamen sie natürlich auch auf Sentas Unfall zu sprechen. Blum sah richtgehend bekümmert aus. Er folgte mit sorgenvoller Miene ihren Schilderungen und machte ab und zu ein paar Bemerkungen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes. Er fand es ganz und gar nicht OK, dass sie jetzt alleine mit ihrer minderjährigen Tochter dasaß.
Ohne Umschweife bot er ihr seine Hilfe an, was Senta nun doch etwas peinlich war, schließlich kannten sie sich nicht wirklich gut. Aber wie war das noch gleich? In der Not frisst der Teufel Fliegen. Sie nahm dankend an.
Als ihr Blick zufällig das Fenster streifte, stellte sie erschrocken fest, dass es bereits dunkelte. Sie fragte sich verwundert, wo in aller Welt Lilly abgeblieben war. Es sah ihr so gar nicht ähnlich, dass sie nicht kurz hereinschaute, wenn sie eine fremde Stimme vernahm. Sie verspürte eine wohlbekannte innere Unruhe, die sie immer dann befiel, wenn es um einen ungeklärten Umstand ging, der mit Lilly zu tun hatte.
Blum hatte bemerkt, dass sie nicht so richtig bei der Sache war. Er sah sie fragend an. Schuldbewusst schenkte sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich hatte er etwas gesagt und wunderte sich nun über ihre fehlende Reaktion.
»Entschuldigung«, stotterte Senta. »Ich frage mich gerade, was mit meiner Tochter los ist. Es ist ganz und gar nicht ihre Art, nicht aufzutauchen, wenn wir Besuch haben. Ich müsste mal nach ihr sehen«, füge sie schnell hinzu. Wenn es um Lilly ging, war es ihr völlig egal, wenn man sie für eine Glucke hielt.
»Ach du meine Güte, Frau Weißenfels.« Blum sah demonstrativ auf seine Uhr. »Ich wollte sie doch nicht so lange aufhalten!« Er machte ein betretenes Gesicht. »Ich verpasse ja meinen eigenen Ladenschluss!« Ein nervöses Lachen erklang.
»Sie haben mich nicht aufgehalten, Herr Blum!«, versicherte ihm Senta aufrichtig. »Ich habe unsere Unterhaltung sehr genossen«.
Ben Blum stand etwas zu schnell von seinem Stuhl auf, wobei er leicht ins Schwanken geriet. Unsicher drückte er Senta seine Visitenkarte in die Hand. »Auf der Rückseite habe ich meine Privatadresse und meine Handynummer aufgeschrieben. Ich möchte, dass sie mir versprechen, dass sie sich sofort melden, wenn etwas nicht in Ordnung ist.«
Er sah sie ernst an. »Versprochen?«
»Ich verspreche es, Herr Blum«, flüsterte Senta gerührt. Wann hatte sich jemals ein anderer als Lilly so um sie gesorgt?
Ben Blum hielt ihre Hand ein wenig zu lange in der seinen, als er sich verabschiedete und der Blick, den er ihr schenkte, war gewiss nicht der eines Bruders.
Dann war er fort und sie stand eine ganze Weile einfach nur da und dachte: » Was war das denn? «
Auf dem Weg in Lillys Zimmer befand sie sich noch immer unter einem seltsamen Bann.
Lillys Tür war, wie so oft, nur angelehnt. So fiel es Senta nicht schwer, unbemerkt einzutreten. Mit einem liebvollen Blick umfasste sie das Bild, das sich ihr bot. Ach, wie sehr hatte sie sich im Krankenhaus nach diesen beiden Geschöpfen gesehnt, die hier in trauter Eintracht schlummerten. Auf Zehenspitzen machte sie kehrt, die Zwei hatten sich ihren Schlaf ganz zweifelsohne verdient. Die letzten Tage waren auch für sie alles andere als leicht gewesen.
Tico, der vor dem Bett lag, hob den Kopf und sah sie verschlafen blinzelnd an. Er besaß ein erstaunlich sicheres Gespür für seine Menschen. Sofort erhob er sich und kam schwanzwedelnd auf sein Frauchen zu und sprang an ihr hoch. Er war wohl der Überzeugung, dass ihm von deren Seite kein Ärger mehr drohte, denn als Senta sich anschickte, das
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