Frühlingsgefühle X3 (Mit Senta durch die Jahreszeiten)
Scharfs Carepaket. Senta hatte sie schon mal vorsorglich aus dem Kühlschrank genommen, damit sie ihr wunderbares Räucheraroma bei Zimmertemperatur entfalten konnten. Tico stand wie festgenagelt da, mit der Nase im Anschlag, und fixierte den Teller mit den Preziosen.
»Lilly, bist du eingeschlafen?« Keine Antwort.
»Langsam wird‘s mir aber zu Bunt!«, brummelte Senta ungehalten vor sich hin.
Auf dem Küchenboden konnte man ohne Probleme ins neue Jahr rutschen, stellte sie erschrocken fest. Nur mit Mühe gelang es ihr, zu verhindern, dass sie eine Bruchlandung mit der Mayo hinlegte, die sie eben aus dem Kühlschrank geholt hatte.
»Scheiße!«
Dem Glas mit der Mayonnaise war nicht so viel Glück beschieden, es lag zerbrochen auf dem Boden.
Tico, der seine Stunde kommen sah, machte einen Hechtsprung, um an das vermeintliche Leckerli zu kommen, das sein Frauchen liebenswürdig, wie sie nun einmal war, auf dem Küchenboden verteilt hatte.
»Raus hier!«
Sentas Brüllen war garantiert bis in Schmitz‘ Wohnzimmer zu hören. Schützend stellte sie sich vor das zerbrochene Glas. Das fehlte gerade noch, dass der blöde Hund sich an den Glassplittern schnitt. Allein der Gedanke daran, was passieren konnte, trieb Senta den Schweiß auf die Stirn. Sie sah sich schon beim Tierarzt sitzen! Wie vom Donner gerührt stand Tico zur Salzsäule erstarrt da. Senta schnappte sich sein Halsband und dirigierte ihn vor die Tür, schloss sie hinter sich und machte sich wutschnaubend auf die Suche nach ihrer pflichtvergessenen Tochter. Die saß seelenruhig an ihrem PC, die Kopfhörer auf den Schlappohren, und wiegte sich im Takt eines für Senta unhörbaren Songs.
»Bleib ganz ruhig, Senta«, beschwor sie sich. Wenn sie jetzt explodierte, war Silvester im Hause Weißenfels gelaufen. Sie holte tief Luft und beugte sich so vor ihr geliebtes Töchterlein, dass die sie unweigerlich ansehen musste.
»Huch, Mama, was hast du mich erschreckt!« Lilly fuhr aus ihrem Stuhl hoch. Es fehlte nicht viel und sie hätte ihre Mutter mit dem Kopf ausgeknockt.
»Sag mal, junge Dame, hast du da nicht was vergessen?« Lilly sah sie mit großen Augen an. So, wie es aussah, war sie sich keiner Schuld bewusst.
»Ich sage nur Wischmopp, junge Dame! Dämmert’s?«
»Ach du meine Güte, du machst aber einen Aufstand. Ich hab’s halt vergessen. Sandy hat mir eine Nachricht auf Facebook gepostet, da hab ich eben geantwortet!«
Senta spürte, wie sich die besagte Explosion ihren Weg bahnte. Schnell weg hier, sonst konnte sie für nichts mehr garantieren. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stapfte sie davon, schnappte sich den Eimer mit dem Wischmopp, zog sich Gummihandschuhe über und begab sich in die Küche. Der arme Tico hatte sich wohl in sein Körbchen verkrochen, das im Schlafzimmer stand. Es war weit und breit nichts von ihm zu sehen.
Hinter verschlossener Tür werkelte sie stillschweigend vor sich hin. Nach einer geraumen Weile wurde die Türe ganz zaghaft geöffnet und Lillys Kopf erschien.
»Kann ich dir helfen, Mami?«, fragte sie mit kleinem Stimmchen.
Senta hatte ihre Aufräumungsaktion bereits beendet und saß mit einer Tasse Cappuccino am Tisch. Sie verkniff sich eine passende Bemerkung.
»Vielleicht könntest du mir helfen, Cappuccino zu trinken?«
Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. War sie als Kind auch so gewesen?
Na ja, Kind, was heißt schon Kind. Sie betrachtete ihre Tochter liebvoll. Das Mädchen, das da vor ihr stand, hatte so gar nichts kindliches mehr an sich. In ein paar Wochen würde Lilly ihren sechzehnten Geburtstag feiern. In diesem Alter war sie schon so gut wie verheiratet gewesen, wurde ihr bewusst.
Senta hatte mit siebzehn geheiratet. Sam war da schon unterwegs und ihre Eltern hatten auf einer Ehe bestanden. Eine ledige Mutter? Das war damals undenkbar.
Sichtbar erleichtert, dass sie keine Strafpredigt über sich ergehen lassen musste, machte sich Lilly an der Kaffeemaschine zu schaffen.
Inzwischen war es bereits weit nach neunzehn Uhr. Draußen war es stockdunkel und Senta schickte sich gerade an, nach ihrem armen Hund zu sehen, als das Telefon Sturm klingelte.
»Hi Senta, ich bin‘s Ina. Ich wollte eben mal kurz vorbeikommen. Ist dir doch recht, oder?«
Ina hörte sich komisch an, so, als ob sie eine mittelschwere Erkältung erwischt hätte. Senta stutzte. Das war allerdings am Morgen noch nicht der Fall gewesen, wenn sie sich recht erinnerte. Sie hatten telefoniert und dabei herumgealbert,
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