Fruehlingsherzen
sie nicht gern verlor, ganz zu schweigen von dem Kassettenrekorder und ihren Massageölen. Aber nur ein kompletter Narr wäre in Arturos Büro zurückgekehrt, auf die Gefahr hin, dass dort die Killer lauerten.Außerdem war anzunehmen, dass sie ihre Sachen längst gefunden hatten und auf dem Weg zu ihrer Wohnung waren. Kyla seufzte. „Na gut. Auf geht’s.“
Johnson und Carmello hatten ihre Büros im dreiunddreißigsten Stock. Kyla schlug vor, den Aufzug in die Tiefgarage zu nehmen. Es war zwar der offensichtlichere Fluchtweg, ging aber wesentlich schneller, als dreiunddreißig Treppen hinunterzulaufen. „Wenn sie meine Jacke gefunden haben, sind sie wahrscheinlich längst unterwegs“, bemerkte sie, als sie in der Garage ausstiegen.
Der Fremde, den sie für Jerry gehalten hatte, blieb stehen und forderte sie auf, zurückzubleiben, damit er die Umgebung überprüfen konnte. Das fand Kyla sehr nett von ihm. „Ich sehe nichts Verdächtiges“, stellte er schließlich fest.
„Ich auch nicht.“ Kyla bemühte sich, ihr Frösteln zu unterdrücken.
„Der Wagen steht dort drüben.“ Er deutete auf einen roten Kombi. „Halten Sie sich dicht in meiner Nähe.“
„Ja.“ Kyla schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihr war empfindlich kalt in ihrem locker gestrickten Baumwollpullover. „Ein Mietwagen?“, fragte sie erstaunt, als sie den Aufkleber sah, und ärgerte sich, dass ihre Zähne klapperten. „Ist Ihrer in der Werkstatt, oder sind Sie nicht aus dieser Stadt?“
„Frieren Sie, oder haben Sie Angst?“
Beides, Mister, dachte sie grimmig. „Mir ist kalt“, erwiderte sie, weil sie keinem Fremden ihre Angst eingestehen wollte.
„Nehmen Sie meinen Mantel.“ Er zog ihn aus und wollte ihn um ihre Schultern legen.
„Nein, danke“, wehrte sie ab. „Es geht schon.“
Er musterte sie nachdenklich und schlüpfte wieder in den Mantel. „Sie sind ein zähes kleines Ding, nicht wahr?“
„Ja. Aber Sie haben meine Frage hinsichtlich des Mietwagens nicht beantwortet.“
Er schloss ihr die Wagentür auf, ohne etwas zu erwidern. „Sie sind ein zähes großes Ding, nicht wahr?“, konterte sie trocken. Er bedachte sie mit einem schwachen Lächeln, bevor er die Wagentür hinter ihr zuschlug.
Sie wartete, bis er eingestiegen war. „Ich darf wohl keine Fragen stellen?“
„Genau.“ Er drehte den Zündschlüssel um und setzte rückwärts aus der Parklücke.
Als sie sich der Garagenausfahrt näherten, die auf die Michigan Avenue hinausging, fragte Kyla sich, ob die Killer dort warten mochten, um sie zu erschießen. „Ducken Sie sich“, warnte sie, als sie die Ausfahrt fast erreicht hatten.
„Jemand muss diesen Wagen fahren.“
„Aber …“
„Sie glauben doch nicht, dass ich mich geduckt in den Nachmittagsverkehr begebe!“
„Na schön.“ Sie stählte sich für das Unvermeidliche, als sie die Ausfahrt passierten und sich in den fließenden Verkehr einreihten. Etwas schlug gegen das Wagendach, und sie schrie auf.
„Regen.“ Er stellte die Scheibenwischer an.
„Oh ja, natürlich.“ Sie kam sich ausgesprochen dumm vor. „Hören Sie, ich bin sonst nicht so schreckhaft.“
„Wie schön für Sie.“ Er lenkte den Wagen souverän durch den Verkehr und stellte die Heizung an, als er sah, dass Kyla noch immer vor Kälte zitterte. Nicht einmal James Bond hätte sich in einer solch brenzligen Situation cooler verhalten können.
Wieder fragte Kyla sich, ob er nicht doch ein Gangster war, denn er schien das alles sehr gelassen aufzunehmen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. „Wissen Sie, ich bin Waffen und Morde nicht gewöhnt. Für Sie mag es ja etwas ganz Alltägliches sein, wenn man bedenkt, dass Sie selbst mit Handschuhen bekleidet in anderer Leute Akten herumspionieren …“
Er antwortete mit einem humorlosen Lachen, das ihr Unbehagen noch vergrößerte, und deshalb beschloss sie, sich für gar nichts mehr zu entschuldigen. Unter den gegebenen Umständen hatte sie getan, was sie konnte. Als die Heizung warme Luft verströmte, entspannte sie sich und schaute aus dem Fenster.
Ein endloser Strom von Fahrzeugen floss durch die Schluchten zwischen den Wolkenkratzern, und ein Chor von Hupkonzertenhallte von den Granitwänden wider. Alles war so normal, so alltäglich, dass Kyla allmählich die Überzeugung gewann, dass sie entkommen waren. Nach einem erleichterten Aufatmen wandte sie sich an ihren Begleiter. „Wo fahren wir eigentlich hin?“
„Das sollten Sie mir
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