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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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pausbäckigen Kind. Im gleichen Augenblick wurde mir klar, wer der Mann sein mußte.
    «Sie sind Hollys Vater.»
    Er zuckte mit den Lidern, er runzelte die Brauen. «Ihr Name ist nicht Holly. Sie hieß Lulamae Barnes. Hieß so», sagte er und schob den Zahnstocher in eine andere Ecke seines Mundes, «bis sie mich heiratete. Ich bin ihr Mann. Dok Golightly. Ich bin Pferdedoktor, für so Tiere überhaupt. Bißchen Landwirtschaft nebenher, außerdem.
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    In der Nähe von Tulip, Texas. Sohn, warum lachen Sie?»
    Es war kein richtiges Lachen, es waren die Nerven. Ich trank etwas Wasser und verschluckte mich, er klopfte mir den Rücken. «Da ist nichts zu lachen, Sohn. Ich bin ein Mann, der es satt hat. Fünf Jahre lang habe ich nach meiner Frau gesucht. Sobald ich den Brief von Fred kriegte, in dem stand, wo sie ist, habe ich mir die Karte für den Expreß gekauft. Lulamae gehört nach Haus zu ihrem Mann und ihren Kindern.»
    «Kindern?»
    «Die da sin ihre Kinner», schrie er mich fast an. Er meinte die vier anderen jungen Gesichter auf dem Bild, zwei barfüßige Mädchen und ein Paar Buben in Overalls. Na ja, natürlich: der Mann war übergeschnappt. «Aber Holly kann doch nicht die Mutter von diesen Kindern sein. Die da sind doch älter als sie. Erwachsenen»
    «Also, Sohn», sagte er einsichtig, «Ich habe ja nicht behauptet, daß die ihre eigengeborenen Kinner wären, deren richtige feine Mutter, 'ne feine Frau, Gott hab sie selig, die is am 4. Juli, Unabhängigkeitstag, 1936 verschieden. Im Jahr der großen Dürre. Als ich Lulamae heiratete, das war im Dezember 1938, da wurde sie damals vierzehn. Möglich, daß ein gewöhnlicher Mensch, der nur erst vierzehn ist, noch nicht genau wissen würde, was er soll. Aber nehmen Sie die Lulamae, die war eine außerordentliche Person. Die wußte gut und schön, was sie tat, als sie zusagte, meine Frau zu werden un die Mutter von meinen Kinnern. Glatt das Herz gebrochen hat sie uns, als sie so einfach weggelaufen ist.» Er trank einen Schluck von seinem kalten Kaffee und blickte mich mit forschendem Ernst an. «Also, Sohn, mißtrauen Sie mir? Glauben Sie, was ich sage?»
    Ich glaubte. Es war zu unglaubwürdig, um nicht Tatsache zu sein; überdies stimmte es genau mit O. J. Bermans Beschreibung der Holly überein, der er zuerst in Kalifornien begegnet war «Man weiß nicht, stammt sie von den Bergen oder aus Oklahoma oder sonstwoher.» Man konnte Berman keinen Vorwurf machen, nicht erraten zu haben, daß sie ein Kind-Weib aus Tulip, Texas, war.
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    «Glatt das Herz gebrochen hat sie uns, als sie so einfach weggelaufen ist», wiederholte der Pferdedoktor. «Sie hatte keinen Grund. Alle Hausarbeit wurde von ihren Töchtern gemacht. Lulamae konnte ganz tun und lassen, was sie wollte - vor Spiegeln 'rumtrödeln und ihre Haare waschen. Unsere eigenen Kühe, unsein eigenen Garten, Hühner, Schweine - Sohn, die Frau ist doch buchstäblich fett geworden. Während der Bruder zum Riesen 'ranwuchs. Was wohl ganz schön anders war als der Anblick, wie sie zu uns kamen. Nellie war's, meine Älteste, Nellie war's, die sie ins Haus brachte. Die kam eines Morgens zu mir und sagte. «Papa, ich hab' zwei verwilderte Jungsche in der Küche eingeschlossen. Ich hab' sie erwischt, wie sie Milch und Puteneier stibitzten.» Das waren Lulamae und Fred. Also, nie im Leben haben Sie so was Jammervolles gesehen. Die Rippen stachen nach allen Seiten, Beine, so kläglich dürr, daß sie kaum stehen konnten, Zähne so wacklig schlecht, daß sie keinen Brei kauen konnten. Geschichte war so. Ihre Mutter starb an TB, und ihr Papa tat dasselbe - und all die Kinner, eine ganze Hucke voll davon, die wurden losgeschickt, um mit verschiedenen armseligen Leuten zu leben. Lulamae und ihr Bruder, die zwei lebten nun mit irgendwelchen armseligen nichtsnutzigen Leuten an die zweihundert Kilometer östlich von Tulip. Sie hatte guten Grund, aus jenem Haus davonzulaufen. Sie hatte keinen, meins zu verlassen. Es war ihr Heim.» Er stützte die Ellbogen auf die Theke und seufzte, die Fingerspitzen gegen seine geschlossenen Augen pressend. «Sie wurde dick und fett wie eine richtige hübsche Frau. Und lebhaft dazu. Schwatzhaft wie eine Elster. Hatte zu allem und jedem was Witziges zu sagen - besser als das Radio. Eh ich's mich versehe, bin ich los und pflücke Blumen. Ich zähme ihr eine Krähe und lehre die, ihren Namen zu sagen. Ich habe ihr gezeigt, wie man Gitarre spielt. Ihr Anblick allein trieb mir die Tränen in die

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