Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
Augen. Den Abend, wo ich ihr den Antrag machte, hab' ich geweint wie ein kleines Kind. Sie sagte: «Warum sollst du denn weinen, Dok? Klar werden wir heiraten. Ich bin doch noch nie verheiratet gewesen.» Na, da mußte ich lachen und sie umarmen und an mich drücken: noch nie verheiratet gewesen!» Er lachte vor sich hin, kaute einen Augenblick an seinem Zahnstocher. «Sagen Sie bloß nicht, die Frau wär' nicht glücklich gewesen! » fuhr er heraus fordernd fort.«
    56
    «Wir beteten sie allesamt an. Sie brauchte nich den Finger zu rühren, außer um Torte zu essen. Um ihr Haar zu kämmen und nach all den Zeitschriften auszuschicken. Wir müssen wohl so für an die hundert Dollar solche Illustrierte ins Haus gekriegt haben. Wenn Sie mich fragen davon is es gekommen. Beim Anschauen großaufgemachter Bilder. Beim Lesen von Träumen. Das war's, was sie trieb, die Straße zu wandern. Jeden Tag wanderte sie ein Stück weiter - zwei Kilometer, und kam nach Hause. Drei Kilometer, und kam nach Hause. Eines Tages ging sie dann einfach weiter.» Wieder legte er seine Hände über die Augen; sein Atmen klang unregelmäßig. «Die Krähe, die ich ihr geschenkt hatte, wurde wild und flog davon. Den ganzen Sommer über konnte man sie hören. Im Hof. Im Garten. Im Wald. Den ganzen Sommer lang rief der verdammte Vogel: Lulamae, Lulamae.»
    Er verharrte zusammengesunken und schweigend, als lausche er dem längstvergangenen Sommerlaut. Ich nahm unsere Bons zum Kassierer. Während ich zahlte, trat er zu mir. Gemeinsam gingen wir hinaus und wanderten hinüber zur Park Avenue. Es war ein frischer, windiger Abend; elegante Markisen flappten in der Brise. Das Schweigen zwischen uns dauerte an, bis ich sagte: «Aber was war mit ihrem Bruder? Der ging doch nicht fort?»
    «Nein, Herr», sagte er und räusperte sich. «Fred war die ganze Zeit bei uns, bis sie ihn zur Armee holten. Ein prächtiger Bursche. Prächtig mit Pferden. Er wußte nicht, was in Lulamae gefahren war, wie es kam, daß sie ihren Bruder, Mann und Kinder verließ. Nachdem er in der Armee war, begann er indes von ihr zu hören. Neulich schrieb er mir ihre Adresse. Also komme ich, um sie zu holen. Ich weiß, sie möchte nach Hause.» Er schien mich um eine Bestätigung hierzu zu bitten. Ich erklärte ihm, daß ich glaube, er werde Holly - oder Lulamae - etwas verändert finden. «Hören Sie, Sohn», sagte er, als wir die Eingangsstufen zum Backsteinhaus erreichten, «ich teilte Ihnen mit, daß ich einen Freund brauche. Weil ich sie nicht überraschen möchte. Ihr keinen Schreck einjagen. Drum hab' ich mich zurückgehalten. Seien Sie mein Freund lassen Sie sie wissen, daß ich da bin.»
    Die Vorstellung, Mrs. Golightly ihren Ehemann anzubringen, hatte ihre befriedigenden Aspekte, und indem ich zu ihren erleuchteten Fenstern aufschaute, hoffte ich ihre Freunde dort oben, denn die Aussicht, zu sehen, wie der Texasmann Mag und Rusty und Jose die Hand gab, war noch befriedigender.
    57
    Aber Dok Golightlys stolze ernste Augen und der durchgeschwitzte Hut weckten Scham in mir wegen solcher Vorgefühle. Er folgte mir ins Haus und bereitete sich am Fuße der Treppe zum Warten vor. «Sehe ich ordentlich aus?» flüsterte er, indem er sich die Ärmel abbürstete und den Knoten seiner Krawatte fester anzog.
    Holly war allein. Sie kam sofort zur Tür, war sogar eben dabei, auszugehen - weißseidene Tanzpumps und Massen von Parfüm kündeten Gala-Absichten. «Na, Schafskopf», sagte sie und schlug mich verspielt mit ihrer Abendtasche. «Ich bin zu sehr in Eile, um mich jetzt zu versöhnen. Rauchen wir morgen die Friedenspfeife, okay?»
    «Sicher, Lulamae. Wenn Sie morgen noch da sein sollten.»
    Sie nahm ihre dunkle Brille ab und sah mich angestrengt blinzelnd an. Es war, als seien ihre Augen in Prismen zerfallen, die Flecken aus Blau, Grau und Grün wie auseinandergebrochene Teilchen des Glanzes.
    «Er hat Ihnen das erzählt», sagte sie mit einer sehr kleinen, bebenden Stimme. «Oh bitte, wo ist er?»
    Sie rannte an mir vorüber ins Treppenhaus. « Fred! » rief sie hinunter. « Fred! Wo bist du, Liebster?»
    Ich konnte Dok Golightlys heraufkommende Schritte auf den Stufen hören. Sein Gesicht tauchte über dem Geländer auf, und Holly wich vor ihm zurück, nicht als sei sie erschrocken, sondern eher als zöge sie sich in eine Hülle der Enttäuschtheit zurück. Dann stand er vor ihr, mit hängenden Ohren und schüchtern. «Ach Gott, Lulamae», begann er und stockte, denn Holly schaute

Weitere Kostenlose Bücher