Frühstück im Bett
Leeann eilte bereits davon.
Nachdem Sugar Beth das Buch »Daphne fällt auf die Schnauze« an seinen Platz zurückgelegt hatte, schaute sie zum Mobile hinauf. Vorsichtig pustete sie, die Papptiere bewegten sich, und sie wünschte, sie könnte in einem Nachtigallenwald leben. Nur für eine kleine Weile.
Der restliche Nachmittag verging wie im Flug, und sie fand keine Zeit mehr, die Kinderabteilung neu zu gestalten. Das wollte sie nach Ladenschluss erledigen, was unglücklicherweise
bedeutete, dass sie Colin anrufen musste. »Würdest du Gordon bis neun bei dir behalten? Heute arbeite ich etwas länger.«
»Was machst du? Um sechs wird der Laden geschlossen.«
Er versuchte sie am Telefon festzunageln. Das wusste sie. Trotzdem erlag sie der Versuchung und verriet ihm die große Neuigkeit: »Ich bin sozusagen im Management. Jewel hat mir die Leitung der Kinderabteilung übertragen.«
»Weil sie sich nicht selber drum kümmern will?«
»So kann man’s auch sehen.«
»Verstehst du was von Kinderliteratur?«
»Gar nichts.«
»Ziemlich ungünstig, was?«
»Zum Glück bin ich eine gelehrige Schülerin.«
»Gute Neuigkeiten, alter Kumpel.« Als er sich vom Telefon abwandte, klang seine Stimme etwas leiser. »Heute Abend kommt Mummy später nach Hause. Also können wir Jungs uns betrinken und Pornos sehen.«
»Wir Jungs!«, schnaufte sie verächtlich.
»Prädikatives Substantiv.«
»Was für ein Idiot du bist!« Sie legte auf, erbost über ihre eigene Dummheit. Warum ließ sie sich ständig auf Wortgefechte mit ihm ein? Typisches Suchtverhalten. Auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber, sah sie Winnie den Antiquitätenladen schließen. Während der letzten Tage hatte sie mehrmals beobachtet, wie ihre Feindin ein und aus gegangen war. Und einmal hatte Winnie das Schaufenster neu gestaltet – sehr geschmackvoll, das musste man ihr lassen.
Am Vortag war Gigi in die Buchhandlung gekommen, sichtlich bedrückt und wortkarg, und nicht einmal aufgetaut, als Sugar Beth sich nach dem neuen Modestil erkundigt hatte – Baby-Gothic-Fashion. Zweifellos litt das Kind unter der Trennung seiner Eltern. Um die Mittagszeit desselben Tages hatte sie Ryan das Yesterday’s Treasures betreten sehen. Gigi zuliebe hoffte sie, das Ehepaar würde die Probleme lösen. Aber nun
flammten die Lichter im Apartment über dem Antiquitätenladen auf, und sie befürchtete, dass eine Lösung noch weit entfernt wäre.
Sugar Beths Anruf hatte Colin in seiner Konzentration gestört. Er setzte sich ans Klavier und spielte eine Weile.
Während seine Finger über die Tasten glitten, erfand er ein Spiel, in dem Sugar Beths Mysterium enthüllt wurde. Alle ihre Geheimnisse hatte er bereits erforscht, berührt und gekostet, nicht wahr? Er wusste, wie sie stöhnte, wie sie sich anfühlte. Am liebsten lag sie auf ihm. Aber unter ihm genoss sie explosivere Orgasmen. Wenn er ihren Kopf zur Seite drehte und ihren Hals mit Küssen reizte, erschauerte sie wohlig. Ihre Brustwarzen waren empfindsam wie Blütenblätter. Und es erregte sie, wenn er ihre Handgelenke festhielt. Aber nach jedem Mysterium, das er enträtselte, warteten tausend andere. Und es gab so viele Dinge, die sie noch tun müssten. Kein einziges Mal hatte er sie in seinem eigenen Bett geliebt – oder unter der Dusche. Er wollte sie auf einem Tisch sehen, die Beine gespreizt, die Fersen auf der Kante. Oder über der Armstütze seines Sessels, das Hinterteil hochgereckt. O ja, genau das wünschte er sich.
Ungeduldig stand er vom Klavier auf. Um sich an diesem Abend zu beschäftigen, brauchte er etwas Handfesteres als Chopin. Er sehnte sich nach Sugar Beth.
In der Halle war es dunkel geworden. Er schaltete den Lüster ein und wieder aus. Am Sonntag war er über ihr Geständnis, sie würde sich in ihn verlieben, zutiefst erschrocken. Aber inzwischen hatte er Zeit gefunden, um darüber nachzudenken, und er fand diesen Gedanken nicht mehr ganz so schlimm. Sugar Beth hatte ihr dramatisches Verhalten einfach nur übertrieben. Wie üblich. Und ihr kurzsichtiger Entschluss, die Affäre zu beenden, frustrierte ihn. Natürlich verstand
er ihre Trauer. Erst vor vier Monaten hatte sie ihren Ehemann verloren. Aber Emmett Hooper hatte sechs Monate im Koma gelegen, und vorher war er sehr lange krank gewesen. Also musste Sugar Beth nicht befürchten, sie würde sein Andenken entehren. Auch ihre Skrupel konnte Colin nachvollziehen, weil er selbst ähnliche Bedenken hegte. Andererseits – wenn sie
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