Frühstück im Bett
nicht vom Thema ablenken. An den Ladentisch gelehnt, verschränkte er die Arme und klopfte mit der Spitze eines exquisit polierten Trotteurs auf den Boden. »Nach der Stimme zu schließen, scheint sie kein kleines Mädchen zu sein, sondern eine ältere Frau.«
»Wenn du’s unbedingt wissen musst, Delilah ist meine Stieftochter. Und jetzt verschwinde, ich muss arbeiten.«
»Sie erzählte mir, sie sei einundvierzig.«
»Ist sie nicht. Zahlen verwirren sie.«
Zu ihrem Leidwesen war Colins Blick viel ruhiger als ihr Herzschlag. »War sie der Grund für die geflüsterten Telefonate, die ich manchmal vernahm?«
»Sei nicht albern. Ich habe mit meinem Liebhaber geplaudert.«
»Wie ich bei meinem Gespräch mit Delilah herausfand, lebt
sie in einem Haus namens Brookdale. Danach surfte ich ein bisschen im Internet. Dein Talent für eine ausgefuchste Verdunkelungstaktik überrascht mich immer wieder.«
»He, seit Wochen habe ich nichts mehr verdunkelt. Sonst wäre ich längst erblindet.«
Blasiert hob er die Brauen. Sie ergriff den Topf, den er mitgebracht hatte, und zog eine Ecke der Folie hoch – ihre Lasagne. Mittendrin steckte eine Gabel. Den ganzen Tag hatte sie nichts gegessen. Als sie das würzige Aroma roch, hätte ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen müssen. Aber der Appetit war ihr vergangen.
»Um deine Neugier zu befriedigen – Delilah, Emmetts Tochter, wurde mit einer geistigen Störung geboren. Jetzt ist sie einundfünfzig, nicht einundvierzig. Sie lebt schon seit Jahren im Brookdale. Dort ist sie glücklich. Außer mir hat sie niemanden. Ende der Story.«
»Wie ich festgestellt habe, ist das Brookdale ein teures privates Pflegeheim.«
Sie trug die Lasagne, die sie nicht essen wollte, in eine Lesenische mit einem Tisch und zwei Stühlen. Nachdem sie sich gesetzt hatte, hielt sie die Gabel hoch. »Normalerweise darf man hier nichts essen oder trinken. Aber für dich mache ich eine Ausnahme.«
»Allmählich ergibt das alles einen Sinn«, bemerkte Colin und schlenderte zu ihr.
»Okay, dann werde ich eben die Lasagne essen. Nur weil ich hungrig bin«, betonte sie und zwang sich, einen Bissen in den Mund zu schieben.
»Diesen Mann hast du geliebt, das weiß ich. Aber welcher Vater würde nicht für den Lebensunterhalt seiner behinderten Tochter sorgen?«
Niemals würde sie Emmett verraten und ihre Enttäuschung über seine mangelnde Vorsorge gestehen. »Seine Finanzen waren etwas kompliziert. Schmeckt köstlich … Was für eine fabelhafte Köchin ich bin!«
»Also deshalb bist du so versessen auf das Gemälde. Für Diamanten interessierst du dich nicht. Das hätte ich mir ja denken können.«
»Kein Witz – die beste Lasagne meines Lebens.«
Auf ein Regal gestützt, fuhr er fort: »Du willst das Bild verkaufen, um das Brookdale zu bezahlen. In diesem Drama bist du nicht die verworfene Blondine, sondern die arme, selbstlose Heldin, die sich für das Wohl einer Schutzbefohlenen opfert. Habe ich Recht?«
»Im Ernst – du solltest die Lasagne kosten.«
»Warum hast du’s mir nicht erzählt?«
Noch länger konnte sie seinen Fragen nicht ausweichen. Seufzend legte sie die Gabel in den Topf. »Dazu hatte ich keinen Grund.«
»Spielt unsere Liebesbeziehung keine Rolle?«
»Die ist bereits Vergangenheit«, fauchte sie und sprang auf. »Meine Probleme löse ich allein.«
»Indem du eine dicke, undurchsichtige Mauer um dich herum errichtest?«
»He, ich verschwende nicht meine gesamte Freizeit im Garten von Frenchman’s Bride, um Ziegelsteine aufeinander zu legen.«
»Manchmal ist eine Mauer einfach nur eine Mauer, Sugar Beth. Aber in deinem Fall ist der Aufbau von Barrieren eine Dauerbeschäftigung. Du lebst dein Leben nicht, du inszenierst es.«
»Nun muss ich endlich wieder arbeiten.« Sie kehrte zum Ladentisch zurück, und Colin folgte ihr unbeirrt.
»Wieso hast du mir verschwiegen, wozu du das Gemälde brauchst?«
»Und warum sollte ich dich einweihen? Welchen Vorteil hätte ich daraus gezogen? Muss ich meine Seele entblößen, nur weil wieder ein Mann in mein Leben getreten ist – noch ein Mann, der mich vernichten will? Nein, danke. Und jetzt verschwinde.«
Sein Blick gab ihr das Gefühl, sie wäre bei einer Prüfung durchgefallen. Aber sie führte ihr Leben so, wie sie’s für richtig hielt. Und wenn ihm das nicht passte – sein Pech.
Als er sie anschaute, verdrängte unerwartete Zärtlichkeit die gewohnte Arroganz aus seiner Miene. »Du bist eine erstaunliche
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