Frühstück im Bett
wollte nur sagen, wie dankbar wir dir alle sind.«
Sugar Beth trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. An diesem Tag war Pansye schon die zwanzigste Person, die in die Buchhandlung kam, um ihr zu danken. Warum hatte Winnie sie nicht verraten? »Um ehrlich zu sein, Pansye – die Story wurde etwas übertrieben. Genau genommen habe ich Winnie nicht rausgetragen, sondern …«
»Jedenfalls bist du eine Heldin.«
In diesem Augenblick näherte sich Jewel der Kasse und grinste wie ein boshafter Kobold. »Fantastisch, Sugar Beth! Soeben hörte ich, der Stadtrat würde dich zur Ehrenbürgerin ernennen.«
Sugar Beth starrte ihre Arbeitgeberin an, der sie an diesem Morgen die Wahrheit gestanden hatte. Da war Jewel in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Nachdem Pansye sich verabschiedet hatte, packte Sugar Beth den Arm ihrer Chefin und zog sie zwischen die Regale der Selbstbedienungsabteilung. »Das alles sollte ein Scherz sein, und ich hab’s nur getan, um mich zu amüsieren und Winnie zu ärgern. Jetzt verschweigt sie absichtlich, wie’s wirklich war, weil sie weiß, dass ich’s erwarte.«
»Das schwöre ich, Sugar Beth«, kicherte Jewel, »dich einzustellen, war die beste Tat meines Lebens. Nicht nur wegen deines Unterhaltungswerts. Dank deiner Anwesenheit mache ich Geschäfte, die meine kühnsten Träume übertreffen.«
»Was seit gestern auf Vorspiegelung falscher Tatsachen beruht.«
»Und wennschon.« Als Jewel die geschrumpfte Poesieabteilung entdeckte, erlosch ihr Lächeln abrupt, und sie runzelte wütend die Stirn. »Wo sind alle meine Langston Hughes? Der ist …«
»Tot«, fiel Sugar Beth ihr ins Wort. »Diesen Platz brauche ich für die Kinderabteilung.«
»Nun, Nikki Giovanni ist nicht tot.« Jewel zeigte auf ein Regal.
»Wenn sie in diesen Laden kommt – wie soll ich ihr gegenübertreten ?«
»Parrish, Mississippi, ist wohl kaum Nikkis Traumreiseziel. Außerdem müssen wir nicht alle ihre Werke dreifach präsentieren.«
»Sagt das weiße Mädchen.«
Erst am späten Nachmittag hörte Jewel zu murren auf, als das neue Daphne-Buch ausverkauft und ein halbes Dutzend anderer Kinderbücher über den Ladentisch gegangen war. »Also gut, Sugar Beth«, resignierte sie widerstrebend, »ich lasse dich in Ruhe. Aber wenn du Gwendolyn Brooks auch nur anrührst, bist du tot.«
Kurz vor Ladenschluss merkte Sugar Beth, dass sie insgeheim dringend auf Colins Anruf wartete. Natürlich musste er inzwischen von dem Feuer erfahren haben. Sorgte er sich denn kein bisschen?
»Heute Abend gehen wir ins Lakehouse«, verkündete Jewel. »Ich lade dich ein.«
»Okay. Nur um Missverständnissen vorzubeugen – beim ersten Date lasse ich mich nicht vernaschen.«
»Schmeichle dir nicht. Diesmal suche ich eine Schwester.«
»Wenigstens könntest du mir eine Chance geben.«
»Gewisse Dinge hat das Schicksal nicht vorgesehen.«
Nachdem sie im Lakehouse das Essen bestellt hatten, schnitten sie ernstere Themen an. Eine Zeit lang diskutierten sie über Bücher, die sie liebten, alte Träume und neue Erkenntnisse. Sugar Beth ignorierte Jewels Neugier, die Colin galt, und erzählte vom Frühstück mit Winnie.
Mitfühlend seufzte Jewel. »Bist du traurig, weil sie nicht länger bei dir wohnt?«
»Nein, nicht direkt.«
»Doch.«
Stimmt, dachte Sugar, als sie später auf ihrer leeren Zufahrt parkte. Irgendwie hatte sie gehofft, die letzte Begegnung mit Winnie würde zu einer neuen Beziehung führen.
Gordon rannte sie nicht über den Haufen, um ins Freie zu gelangen, was bedeutete, dass Colin ihn eben erst ins Kutschenhaus gebracht hatte. Mühsam widerstand sie der Versuchung, hinüberzulaufen, gegen die Tür von Frenchman’s Bride zu hämmern und einen Streit vom Zaun zu brechen. Sie stritt sehr gern mit ihm und liebte die Freiheit, die sie dabei genoss. Keine Gefahr, verprügelt zu werden oder einen Herzinfarkt zu riskieren … In seiner Nähe erwachten ihre Lebensgeister. Das alte Schema, nicht wahr? Fühlte sie sich wirklich nur lebendig, wenn sie ihr Spiegelbild in den Augen eines Mannes sah? Nein, jetzt nicht mehr. Mittlerweile war sie viel klüger geworden. Aber ihre Weisheit konnte die Einsamkeit nicht verscheuchen.
Alles, was in ihrem Leben falsch war, stürmte auf sie ein. O Gott, sie hatte es satt, den Kopf hochzuhalten, wenn sie ihn unter einem Kissen vergraben wollte, und den Eindruck zu erwecken, ihr wäre egal, was andere Menschen dachten. Und sie hasste den Zwang, sich pausenlos zu verlieben.
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