Frühstück im Bett
Homecoming-Feier nach den Sommerferien. Es dauert höchstens eine Stunde, und dann würde ich Sie in Ihrem Zimmer besuchen.«
Mit der gleichen Taktik schaffte es Diddie immer wieder, die Eltern-Lehrer-Besprechungen so zu timen, dass sie nicht auf ihre Lieblings-TV-Sendungen verzichten musste.
Kein anderer Lehrer wagte es, Sugar Beth zu widersprechen, denn niemand wollte sich Diddies Groll zuziehen. Aber Mr Byrne hatte offensichtlich noch nicht herausgefunden, wie wichtig Diddie war. »Was Sie geplant haben, ist mir völlig egal, Sugar Beth.«
Resignierend zuckte sie die Achseln und drückte das Heft in Ryans Hand.
»Das nehme ich mit«, entschied Mr Byrne.
Als Ryan das Heft seiner Freundin zurückgab, schlug Winnies Herz bis in den Hals. Erst hatte Sugar Beth sie vor allen Klassenkameradinnen gedemütigt, und jetzt würde sogar Mr Byrne erfahren, wie pervers sie war. Und Ryan? Nie wieder würde sie ihm in die Augen schauen können.
Das Heft in der Hand, hüpfte Sugar Beth die Tribünenstufen hinab. Verzweifelt beobachtete Winnie, wie sie es dem Lehrer überreichte. Auf dem Weg zu Mr Byrnes Klassenzimmer drohten die braunen Wände des Korridors einzustürzen. Unbefangen
schwatzte Sugar Beth. Das Schweigen des Lehrers schien sie nicht zu stören. Und Winnie trottete notgedrungen hinterher.
An der Tür des Klassenzimmers blieb er stehen. Winnie starrte auf den hässlichen braunen Fliesenboden hinab. Wie üblich trug er seine alten schwarzen, sorgsam polierten Halbschuhe. »Ich glaube, das gehört Ihnen, Winnie.«
Da blickte sie durch den Schleier ihres Elends zu ihm auf, sah die vertraute Arroganz in seinen Augen – und die Güte, die niemand außer ihr jemals zu bemerken schien. Er hielt ihr das Heft hin.
Unfassbar – er gab es ihr tatsächlich zurück. Mit bebenden Fingern griff sie danach. »Eh – danke …«
»Zuerst sollten Sie lesen, was Winnie geschrieben hat, Mr Byrne.« Sugar Beth lachte glockenhell. »Wie klug sie ist, wissen wir alle. Aber ich wette, Sie hatten keine Ahnung von ihrem kreativen Talent.«
»Morgen sehen wir uns beim Unterricht, Winnie«, sagte er, ohne Sugar Beth zu beachten. »Und ich denke, Sie haben einen faszinierenden Vortrag über diese langweilige Romanfigur Hester Prynne zu bieten!«
Das Algebra-Heft an die Brust gepresst, nickte Winnie ruckartig. Bevor sie sich abwandte, sah sie Sugar Beths Gesicht und las den Hass in den blauen Augen. Den Grund dieses Grolls kannte sie, und sie wusste auch, dass er niemals verebben würde. Denn obwohl Sugar Beth alles besaß, was sie selbst erträumte – Schönheit, Popularität, Selbstsicherheit und Ryan Galantine –, wünschte sie sich verzweifelt, was Winnie errungen hatte. Und das war die Liebe des gemeinsamen Vaters gewesen.
Winnie warf die letzten Splitter des zerbrochenen Weinkelchs in den Abfalleimer, und ihre Gedanken schweiften zu einem anderen Zwischenfall in jenem Jahr, der sie noch schmerzlicher verletzt hatte als der Spott über ihre sexuellen Fantasien.
Aber nicht einmal jetzt, nach so langer Zeit, wollte sie daran denken. Stattdessen beobachtete sie Ryan, der an den Manschetten seines hellblauen Designer-Hemds drehte. Sie liebte seine Handgelenke, ihren Knochenbau, die Kraft, die sie ausstrahlten.
Im Sommer, nachdem Sugar Beth ihn verlassen und Darren Tharp geheiratet hatte, war Winnie seine Ersatzfreundin geworden, sein Trost. Obwohl sie sich nicht in einen Schwan verwandelte, während er am College studierte, war sie kein hässliches Entlein mehr, und das merkte er.
Die Initiative zum Sex ging von ihr aus, nicht von ihm, und er wirkte fast verblüfft, als er eines Nachmittags mit ihr im Bett landete. Entschlossen nutzte sie die Abwesenheit seiner Eltern, die um diese Zeit arbeiteten. Ein paar Wochen später wagte sie’s kaum, ihn über ihre Schwangerschaft zu informieren. Aber er grinste tapfer und heiratete sie. Er beteuerte sogar, er würde sie lieben, und sie gab vor, ihm zu glauben.
Doch sie hatte schon damals gewusst, dass seine Liebe zu ihr nur ein schwacher Abklatsch seiner Gefühle für Sugar Beth war. Niemals würde er seine Frau so hingerissen anstarren wie ihre Halbschwester.
Sie nahm zwei Keramiktassen aus dem Schrank und stellte sie auf die Küchentheke. »Erinnerst du dich – wie Sugar Beth mein Algebra-Heft im Turnsaal aufhob und den Mädchen alles vorlesen wollte, was ich geschrieben hatte?«
»Gibt’s noch Bier mit Porter?«, fragte er und steckte seinen Kopf in den
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