Frühstück im Bett
Aber an diesem Tag war sie achtlos gewesen. »Hör auf, Sugar Beth!«
»Nein, lies weiter!« Leeann bestrich ihre Ponyfransen mit
dem Haargel, das sie stets bei sich trug. Aber sie ließ Sugar Beth nicht aus den Augen.
Sugar Beth hob einen Fuß und stellte den metallisch glänzenden Turnschuh auf einen Stuhl. »›Dann schob er seine große, starke Hand in mein winziges Spitzenhöschen.‹« So wie sie die Wörter »winziges Spitzenhöschen« betonte, wies sie – nicht allzu subtil – darauf hin, dass Winnie keine besonders kleinen Unterhosen trug. »›Ich öffnete meine Beine etwas weiter.‹«
Nie wieder würde Winnie die Parrish-High-School betreten.
»›Mit seiner anderen Hand strich er über die Innenseite meines Schenkels …‹« In gespieltem Entsetzen riss Sugar Beth die Augen auf. »O Gott, Winnie Davis, das ist Pornografie!«
»Mir gefällt’s.« Leeann ließ eine Kaugummiblase platzen, und Sugar Beth blätterte eine Seite um.
»›O Winnie, ich liebe dich in wilder Leidenschaft …‹« Dann unterbrach sie sich, überflog die nächsten Seiten und suchte noch stärkere Munition, um Winnie zu vernichten. »Heiliger Himmel, hört euch das an! ›Ich spreizte meine Beine, als seine Finger mich zu liebkosen begannen. Atemlos rief ich seinen Namen …‹«
In Winnies Ohren dröhnte es, der Turnsaal begann sich zu drehen. Ein halb erstickter Laut rang sich aus ihrer Kehle.
»›Oh, mein Liebster, mein Liebster … Ryan!‹«
Winnies Blut gefror.
»He, Sugar Beth, was treibt ihr denn da?«
Vom anderen Ende des Turnsaals schlenderte Ryan Galantine herüber, von Deke Jasper und Bobby Jarrow gefolgt – alle drei in ihren Trikots mit den Nummern auf den Vorderseiten, weil an diesem Abend ein Spiel stattfinden sollte. Winnie sah nur Ryan – hoch gewachsen, goldblond, das Objekt ihrer Fantasien. Entsetzt sah sie ihn die Stufen der Tribüne hinaufsteigen.
»Ich dachte, du hättest eine Vereinssitzung, Sugar.«
»Da wollte ich gerade hingehen. Aber dann fand ich das da. Winnie hat’s geschrieben, und es ist wirklich gut.«
»So?« Er ignorierte die High-School-Gesetze und küsste sie. Dann schaute er auf Winnie herab und schenkte ihr den spärlichen Rest seines Lächelns. »Das will ich auch hören.«
Winnie wollte für ewige Zeiten aus Parrish fliehen. Als sie zurücktrat, rutschte sie aus und stürzte ungelenk, die Hüften zwischen zwei Sitzreihen eingeklemmt.
»Hör auf!«, mahnte Amy. Doch sie fürchtete Sugar Beth ein bisschen, so wie alle anderen. Deshalb klang ihre Stimme unsicher.
»Nein, lies weiter, Sugar Beth, das interessiert mich.« Aus Leeanns Mund quoll eine weitere Kaugummiblase.
Sugar Beth warf Winnie einen kurzen Blick zu. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das Algebra-Heft. »Soll ich noch mal von vorn anfangen? Bei den nackten Brustwarzen oder dem winzigen Spitzenhöschen?«
»He, das klingt fabelhaft!« Ryan lachte und legte einen besitzergreifenden Arm um Sugar Beths Schultern.
Nun wandte sich Sugar Beth wieder zu Winnie. In ihrer honigsüßen Stimme schwang pure Bosheit mit. »Oder soll ich da fortfahren, wo sie den Namen ihres Liebhabers ruft?«
In Winnies Hals stieg bittere Galle hoch.
»Ja, warum soll ich nicht da weitermachen? ›Oh, mein Liebster …‹«
»Das genügt, Sugar Beth.« Als der scharfe britische Akzent erklang, fuhren alle herum. Mit einiger Mühe erhob sich Winnie und sah Mr Byrne, ihren Lieblingslehrer, auf die Tribüne zukommen. An diesem Tag trug er eine grauweiß gestreifte Weste über seinem alten schwarzen Rollkragenpullover. Sein Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Obwohl er der jüngste Lehrer an der High School war, fürchteten ihn fast alle Schüler und Schülerinnen, weil er so sarkastisch sein konnte. Aber sie respektierten ihn auch. Bei seinem Unterricht zeigte er keine Filme, und er erwartete von
jedem Einzelnen harte, ernsthafte Arbeit. Winnie betete ihn an. Mit ihr sprach er niemals in diesem bissigen, ironischen Ton, und er lieh ihr sogar seine Bücher, um ihren Horizont zu erweitern.
Im Gegensatz zu den anderen Kids wirkte Sugar Beth weder besorgt noch nervös. Stattdessen starrte sie ihm direkt in die Augen. »Hallo, Mr Byrne. Gerade wollten wir gehen. Nicht wahr, Winnie?«
Aber Winnie konnte ihre Lippen nicht bewegen – konnte gar nichts tun.
»Kommt mit mir, ihr beiden.«
»Jetzt habe ich eine Vereinssitzung, Mr Byrne«, erklärte Sugar Beth höflich. »Dabei geht’s um unsere
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