Frühstück im Bett
Stiefmutter, zu Sugar Beths Verblüffung. Eine 52-jährige Frau mit dem Verstand einer Elfjährigen, war Delilah sanftmütig, amüsant und sehr verletzlich. Beide mochten, was den meisten Mädchen gefiel – Kleider und Make-up und Filmstars. Mit gleicher Begeisterung lasen sie Judy-Blume-Bücher, »Die Hexe vom Amselteich«, Mary-Kates und Ashleys Abenteuer. Sie schwatzten über Leonardo DiCaprio, den Delilah anbetete. Auf ihren Spaziergängen hatten sie einander an den Händen gehalten.
Nur die Sorge um Delilah hatte Sugar Beth zur Rückkehr nach Parrish bewogen. Sie konnte Brookdale nicht mehr bezahlen. Wenn sie das Ash-Gemälde nicht fand, würde ihre Stieftochter das Pflegeheim verlassen müssen. Trotzdem wollte sie nicht im Selbstmitleid versinken. Bedingungslose Liebe war ein so kostbares Geschenk, das sie wahrhaftig zu schätzen wusste.
Während sie ihre Einkaufstüten ergriff, hielt eine vertraute burgunderrote Lexus-Limousine neben dem Gehsteig. Das Fenster an der Fahrerseite glitt herab und enthüllte das höhnische Gesicht des Mannes, den sie neuerdings »Herzog des Unheils« nannte. »Sie sehen wie eine Stadtstreicherin aus.
»Danke.« Sugar Beth nahm an, er würde nicht die Motorradjacke und die Jeans meinen, sondern die Tüten. »Hoffentlich sind Sie ebenso gut gelaunt wie ich.«
Byrne betrachtete sie durch sein unsichtbares Monokel. »Soll ich Sie nach Hause fahren?«
»Erlauben Sie etwa dem Pöbel, in Ihre Luxuskutsche zu steigen?«
»Wenn ich in mildtätiger Stimmung bin.«
»Oh, heute ist mein Glückstag.«
Bevor er auf den Schalter der Türverriegelung drückte, ließ er Sugar Beth eine ganze Weile warten. Sie öffnete den hinteren Wagenschlag und legte ihre Einkäufe in den Fond. Dann setzte sie sich daneben – noch war ihr Stolz nicht gebrochen – und schloss die Tür. »Fahren wir.«
Einen Arm auf der Rückenlehne, musterte er sie über seine lange Nase hinweg.
Hochmütig erwiderte sie seinen Blick. »Ich habe wirklich nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Vielleicht sollten Sie doch zu Fuß gehen.«
»Das wäre zu peinlich für die Nachbarschaft – eine Stadtstreicherin in dieser vornehmen Gegend …«
Zu ihrer Genugtuung gab er ziemlich unsanft Gas und fragte in vernichtendem Ton: »Kann ich Ihnen sonst noch einen Gefallen erweisen?«
Sie starrte seine breiten Schultern an. »O ja, es wäre nett, wenn Sie diese alberne kleine Kette vor meiner Zufahrt entfernen würden.«
»Aber sie amüsiert mich«, entgegnete er und bog in die Mockingbird Lane. »Übrigens, heute Morgen sah ich einen Abschleppwagen neben Ihrem Auto stehen. Tut mir ganz schrecklich Leid.«
»Nicht nötig. Der süße Fahrer war echt verständnisvoll. Von seinem fabelhaften Aussehen ganz zu schweigen.«
»Also haben Sie ihn dazu überredet, Ihren Volvo stehen zu lassen?«
»Sir, ich bitte Sie – eine Südstaatenlady spricht niemals über den Erfolg ihrer Reize.«
Sie erwartete, er würde bemerken, sie sei keine Lady. Aber
derart plumpe Spitzen waren unter seiner Würde, und er entschloss sich zu einer subtileren Kriegsstrategie. »Wie kommen Sie mit Ihrer Arbeitssuche voran?«
Gleichmütig winkte sie ab. »Ach, es ist stressig zu entscheiden, in welcher Branche man Karriere machen soll. Dafür nehme ich mir viel Zeit. Lassen Sie mich hier aussteigen.«
Byrne ignorierte ihren Wunsch und bog in die Zufahrt von Frenchman’s Bride, womit er alle Chancen auf ein Trinkgeld verschenkte. »Ist die Auswahl so groß?«
»Überwältigend.«
»Das habe ich gehört. Diese Stadt boomt.«
»Ja, unfassbar …«
Er parkte vor dem Haus und schaltete den Motor ab. »Einem Gerücht zufolge hat sich sogar Louis Higgins geweigert, Ihnen einen Job im Quik Mart zu geben. Und er stellt jeden ein, der halbwegs Englisch spricht.«
»Unglücklicherweise war ich die treibende Kraft hinter den hässlichen Klatschgeschichten, die sich in der neunten Schulklasse um seine Schwester drehten. Dass sie auf Tatsachen beruhten, schien ihn nicht zu interessieren.«
»Stets fällt alles auf den Urheber zurück …«
»Sieht so aus.« Sie öffnete den Wagenschlag und begann ihre Einkäufe auszuladen. Als er um die Motorhaube herumschlenderte, ließ Sugar Beth beinahe ihre Coladosen fallen, weil er wirklich und wahrhaftig einen Trenchcoat aus schwarzem Wildleder trug. Darin sah er viel zu gut aus, insbesondere mit seinen zerwühlten kurzen Haaren.
»Darf ich die Tüten ins Kutschenhaus tragen? Das Mindeste, was ich tun kann.«
Vom
Weitere Kostenlose Bücher