Frühstück im Bett
die Zweitbeste zu sein, hatte sie die Dinge beschleunigt, noch ehe sie dazu bereit gewesen war. Trotz seiner größeren Erfahrungen hatte sie die sexuelle Aggressorin gespielt. Aus irgendwelchen Gründen blieben sie bei diesem System. Sie war stets verfügbar und willig. Niemals schützte sie Kopfschmerzen vor, niemals überließ sie ihm die Initiative. Sie mimte die Jägerin, er den Gejagten. Und sosehr sie ihn auch liebte – das nahm sie ihm übel.
Nicht sehr. Nicht immer. Nur manchmal.
»Starrsinnig, eh?
Ich werde dich schon noch zähmen«,
sagte Vidal und stand auf.
Eskapaden, von Georgette Heyer
5
S ugar Beth nahm die Einkaufstüten von einer Hand in die andere. Doch es nützte nichts. Danach waren sie genauso schwer. Als sie die Jefferson Street zur Mockingbird Lane hinunterging, versuchte sie, ihre verkrampften Schultern zu entspannen. Im Laden waren ihr die paar Grundnahrungsmittel, die sie gekauft hatte, das Hundefutter und die Sechserpackung Cola viel leichter vorgekommen.
Die Strafzettel wegen Falschparkens zu ignorieren, hatte nichts geholfen, denn dadurch waren sie nicht verschwunden. An diesem Morgen hatte sie das ganze Arsenal ihrer Charme-Waffen einsetzen müssen, um den bulligen jungen Lastwagenfahrer zu becircen, der beauftragt worden war, den Volvo abzuschleppen. Nachher hatte sie ihr Auto vorsichtshalber auf dem Arby’s-Parkplatz abgestellt, eine halbe Meile entfernt. Das wäre ein netter Spaziergang gewesen, wenn sie ihn an diesem Tag nicht schon zum zweiten Mal unternehmen würde und keine Lebensmittel tragen müsste. Eine Zeit lang lenkte sie sich von ihren Qualen ab, indem sie überlegte, welch grausame Rache sie an Colin Byrne üben würde. Doch sie hatte sich bereits vergeblich bei ihm beschwert, und das verdarb ihr den Spaß.
Während der Woche seit ihrem katastrophalen Besuch in Winnies Antiquitätenladen war sie vom Pech verfolgt worden. Sie fand weder einen Job noch das Gemälde, und in ihrer
Brieftasche steckten nur noch Motten. Wenigstens hatte sie die überlebenden Mitglieder von Tallulahs Canasta-Club aufgespürt. Aber nur Sissy Tooms erklärte, sie habe das Bild tatsächlich gesehen. Bedauerlicherweise hatte sie auch erwähnt, sie würde demnächst nach Las Vegas reisen und mit Frank Sinatra dinieren.
In Sugar Beths Handtasche klingelte das Handy. Sie stellte die Einkaufstüten auf den Gehsteig und fragte sich, wie lange es dauern mochte, bis man den Anschluss abschalten würde. »Hallo.«
»Ich bin’s!«, zirpte die Anruferin.
»Hi, Baby«, erwiderte Sugar Beth lächelnd.
»Ich!«, wiederholte Delilah, als würde Sugar Beth die Stimme von Emmetts einzigem Kind nicht wieder erkennen.
»Wie geht’s meinem Lieblingsmädchen?«
»Gut! Gestern haben wir gemalt. Und Meesie hat gesagt, ich darf dich heute anrufen.«
Sugar Beth hatte vergessen, dass Mittwoch war – der Tag, an dem sie stets mit Delilah telefonierte. »Hat sich deine Erkältung gebessert?«
»Jeden Abend schlucke ich Hustensirup. Der hilft mir. Und ich habe ein Bild für dich gemalt.«
Eine Schulter gegen den heftigen Wind gestemmt, stützte Sugar Beth eine Ferse auf die Bordkante. Am Vortag war es warm gewesen, aber jetzt fror sie in ihrer Motorradjacke aus falschem Leder. »Wie sieht’s denn aus?«
Delilah beschrieb ihr Werk, einen Meeresstrand. Dann erzählte sie vom neuen Engelbarsch im Aquarium. Zum Abschied wiederholte sie, was sie bei jedem Telefongespräch sagte. »Ich liebe dich, meine Sugar Beth. Liebst du mich auch?«
In Sugar Beths Augen brannten Tränen. Egal was sie tun musste – sie würde dieses süße, zerbrechliche Geschöpf stets beschützen. »Ich liebe dich ganz wahnsinnig.«
»Ja, das dachte ich mir.«
Diese unerschütterliche Überzeugung belustigte Sugar Beth.
Als sie ihr Handy in der Tasche verstaute, kehrte der alte Groll gegen Emmett zurück. Wieso hatte er nicht für Delilahs Zukunft gesorgt? Warum war er so achtlos gewesen? »Ich habe finanzielle Arrangements getroffen«, hatte er erklärt. »Aber dann ging’s bergab, und ich musste das Geld angreifen. Das werde ich mir nie verzeihen.«
Sie erinnerte sich an ihren ersten Besuch in Brookdale, einem exklusiven privaten Pflegeheim, wo Delilah den Großteil ihres Lebens verbracht hatte. Bei dieser Begegnung hatten sie einander sofort ins Herz geschlossen. Emmetts erste Frau war ein paar Jahre zuvor gestorben, und Delilah vermisste ihre Mutter schmerzlich. Nun übertrug sie ihre Liebe ohne Zögern auf die neue
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