Frühstück im Bett
schon schaffen.
»So lange kann ich nicht warten. Gigi platzt schier vor Aggressivität. Und Chelseas Mutter ist wütend. Sie will die Polizei verständigen.«
»Die Polizei?«
»Ja, Ryan, die Polizei. Also komm sofort her!«
Nie zuvor hatte Gigi ihren Dad so zornig gesehen. Die Knöchel seiner Finger, die das Lenkrad umklammerten, traten weiß hervor. In seinem Kinn zuckte ein Muskel. Kein einziges Mal in ihrem ganzen Leben hatte er sie geschlagen. Aber sie war auch noch nie so schlimm gewesen. Würde er sie jetzt verprügeln? Seit sie das Büro der Schuldirektorin verlassen hatten, schwieg er beharrlich. Einerseits wollte sie ihn anschreien, damit sie’s hinter sich brachten, andererseits das klärende Gespräch möglichst lange hinausschieben.
Natürlich hatte sie Chelseas Handgelenk nicht brechen wollen. Der bloße Gedanke daran drehte ihr den Magen um. Die ganze Woche war Chelsea eklig gewesen – vielleicht, weil sie mit ihrer Mom stritt. Aber deshalb brauchte sie Gigi nicht vorzuwerfen, sie würde sich wieder aufspielen, nur weil sie so reich wäre. Schließlich hatte Gigi vor lauter Wut erwidert, Chelsea sei fett geworden. Was übrigens stimmte. Chelsea kreischte, sie würde Gigi hassen, und Gigi gab ihr einen Stoß. Nicht um sie zu verletzen. Nur ein ganz leichter Schubs … Aber die Tür des Spinds stand offen. Chelsea war hineingefallen und hatte sich das Handgelenk gebrochen. Und jetzt gaben alle ihr die Schuld. In ihrer Kehle stieg der Geschmack der Caféteria-Pizza auf, die sie zum Lunch gegessen hatte. Immer wieder hörte sie Chelseas Knochen knacken, den halb erstickten Schrei. Krampfhaft schluckte sie und zwang die Pizza, wieder hinunterzurutschen.
Als ihr Dad endlich ins Büro gekommen war, hatte sie sich ganz schrecklich vor Chelseas Mom gefürchtet, die sie bei der Polizei anzeigen wollte. Am liebsten hätte sie sich an Dads Brust geworfen und geweint, so wie in ihrer frühen Kindheit. Doch er hatte sie gar nicht angeschaut. Und tat es nach wie vor nicht.
Mrs Whitestone hatte Gigi für die restliche Woche von der Schule suspendiert und dann aus dem Büro geschickt. Während die Erwachsenen redeten, wartete sie auf einer Bank im Flur. Chelseas Mom hatte Gigis Dad stets gemocht. Manchmal flirtete sie sogar mit ihm, was Gigi ein bisschen peinlich fand. Andererseits – im Augenblick war’s wahrscheinlich ganz gut, denn die Frau hörte endlich zu schreien auf. Aber als er aus dem Büro kam, erweckte seine Miene den Eindruck, er wollte irgendwen umbringen. Sicher nicht Chelseas Mom.
Ständig behaupteten die anderen Kids, sie müsste froh sein, weil sie so junge Eltern hatte. Denn die würden sich erinnern, wie sie in ihrer Teenagerzeit selber gewesen wären.
Aber jetzt sah ihr Dad nicht so aus, als würde er sich dran erinnern. Bitterer Groll erfüllte ihr Herz. In der High School war er der beliebteste Junge gewesen. Das hatte sie in seinem Jahrbuch gelesen. Ihre Mom war auch nie in Schwierigkeiten geraten. Nun, ich bin halt anders, dachte Gigi.
Weil sie die Stille im Auto nicht mehr ertrug, griff sie nach dem Knopf fürs Radio.
»Lass das!« Normalerweise hörten sie zusammen Musik. Aber jetzt fürchtete sie, ihr Dad würde nie wieder mit ihr Musik hören.
»Chelsea hat angefangen.«
»Davon will ich nichts wissen.«
»Das dachte ich mir, du stehst auf ihrer Seite.«
Er warf Ihr einen frostigen Blick zu. »Würdest du bitte den Mund halten?«
Das versuchte sie. Aber es war so unfair, und sie fühlte sich verletzt, weil er sie nicht umarmte und versicherte, alles sei in
Ordnung. »Nur weil ich nicht so perfekt bin, wie du’s mal warst – und Mom!«
»Mit deiner Mutter oder mir hat das alles nichts zu tun. Schon seit Monaten führst du dich wie ein ekliges Balg auf. Heute bist du dazu über eine Mitschülerin hergefallen. Du kannst von Glück reden, dass ihre Mutter auf eine Anzeige verzichtet. Heute bist du glimpflich davongekommen. Aber glaub mir – wenn du dich nicht besserst, wirst du ernsthaften Ärger kriegen.«
»Einmal hast du einem Jungen das Schlüsselbein gebrochen. Weißt du’s noch? Das hast du mir erzählt.«
»Bei einem Football-Spiel!«
»Deshalb ist so was noch lange nicht okay.«
»Kein Wort mehr!«
Als Mom an diesem Abend nach Hause kam, holten sie Gigi ins Wohnzimmer. Meistens redete Dad. Wie schmerzlich sie ihn enttäuscht habe, wie schlimm ihr Vergehen sei. Die ganze Zeit erwartete sie, er würde ihr versichern, dass er sie trotzdem liebte. Das
Weitere Kostenlose Bücher