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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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dann auch sterben?« – »Als ich dir sagte: ›Ja, alle Menschen sterben‹, bist du in Tränen ausgebrochen und hast gesagt: ›Ich will aber nicht …‹«
    Jade musste über diese Geschichte lachen, an die sie sich nicht mehr erinnerte. Sie spürte, wie bewegt Mamoune war.
    »Heute lachst du, aber das war echte Verzweiflung, richtige Tränen. Du warst wirklich traurig, und ich war es auch, weil ich nicht wusste, wie ich dich trösten sollte, außer indem ich dir sagte, dass es ja nicht gleich passieren würde … Ich habe es nicht geschafft, dich aufzumuntern.«
    So war Mamoune, sie nahm Kinder und ihre Gefühle immer sehr ernst, schenkte ihnen ihre ganze Aufmerksamkeit, als wären sie in diesem Augenblick die wichtigsten Menschen auf der Welt.
    »Aber alle Kinder machen sich doch Gedanken über den Tod, oder?«, fragte Jade.
    »Nicht so intensiv wie du. Als Mädchen hast du große Tragödien in deinem kleinen Kopf ausgetragen, du hast dir sehr viel Gedanken über alles gemacht. Damals wusste ich es noch nicht, aber heute sage ich mir, ich hätte wetten können, dass du eines Tages schreiben würdest. Wo wir schon dabei sind, gib mir mal dein Manuskript … Wenn du immer noch einverstanden damit bist, dass ich es lese.«

Mamoune
    S ie ist fort. Sie hat die Tür nicht zugeschlagen, sondern ganz sacht hinter sich zugezogen. Vorher hat sie mich noch gefragt, ob alles in Ordnung ist, ob ich denn wohl zurechtkomme – mit einem Hauch zärtlicher Ironie, damit ich mich nicht als das fühle, was ich bin, ein alter Mensch, den man behüten muss wie die Milch auf dem Herd. Meine Enkelin besitzt Taktgefühl. Und Geschmack. Beim Abspülen der geblümten Tassen, die wir zum Frühstück benutzt haben, nehme ich die Eigenheiten ihrer Küche wahr. Das kleine Gewürzregal, die verschiedenen Öle, die von der Decke baumelnden Körbe mit Knoblauch, Thymian, Lorbeerblättern. Den Sessel hat sie bestimmt vors Fenster geschoben, damit ich mich beim Kochen zwischendurch ausruhen kann. Hier werde ich morgens meinen Kaffee trinken, wenn sie aus dem Haus ist, dachte ich mir, als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich mag Küchen, und es ist ein Glücksfall, wenn man Terrakottafliesen hat wie auf dem Land und nicht diese hässlichen Kacheln.
    Bei uns war die Küche der Lebensmittelpunkt. Im Esszimmer mit seinem schönen Parkett wurde nur an besonderen Festtagen der Tisch gedeckt, und das Wohnzimmer war den Männern vorbehalten. Ein trauriger Ort, in dem es nach Tabak und politischen Diskussionen roch. Wäre ich nicht gezwungen gewesen, meine Leidenschaft für die Literatur zu verbergen, so dass ich nur zwei oder drei Bücher besaß, dann hätte ich meineBibliothek in der Küche eingerichtet. Fettspritzer auf den Seiten hätten mir nichts ausgemacht. Und wenn ich nach ein paar Jahren noch einmal den einen oder anderen Roman durchgeblättert hätte, wären mir die unterschiedlichsten Gerüche entgegengeschlagen: Rosmarin bei Maupassant, Curry bei Baudelaire, Zwiebeln bei … Wer hätte wohl diesen süßlichen Geruch ausgeströmt, der entsteht, wenn man die feine Zwiebelhaut anbrät?
    Ach, so eine riesige Bücherküche wäre herrlich gewesen! Und manchmal, wenn ich mein Kochbuch gesucht hätte, um die Zutaten für einen komplizierten Teig zu überprüfen, hätte ich aus Versehen das Buch dieser Inderin gegriffen,
Der Duft der Gewürze
, leider fällt mir ihr Name nicht ein, wirklich zu dumm …
Ich kochte Hühner-Curry, für das ich Oliven, geröstete rote Paprika und Pinienkerne verwendete … Wie kommt es, dass du schöner wirst, wenn du gerade nicht an mich denkst?
Ich hätte über die Verwechslung gelacht und mich wieder dem Kochen zugewandt. Meine Hände hätten weiter geputzt, geschnitten, geschält, vermischt, zerbröselt, und während ich einen Topf oder ein Paket Zucker hervorgekramt hätte, wäre ich in Gedanken bei irgendeinem Buchtitel hängengeblieben.
    An diese Küche denke ich, während ich mich in Jades orangefarbenen Sessel setze. Vormittags ist der Raum fast dunkel. Das viele Holz verschluckt das Licht. Gestern hat Jade mir erklärt, dass ihre Küche das Innere eines Schiffes darstellen soll.
    Anstelle ihres Julien, der ein geschickter Handwerker war und ihr bei der Verwirklichung ihrer Dekorationswünsche geholfen hat, bin nun ich hier an Bord gegangen. Jade redet nicht viel über ihn. Ich habe ihn ja auchnur ein oder zwei Mal gesehen. Sie haben einmal eine Woche in meiner Berghütte verbracht. Ich erinnere mich noch, wie ich

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