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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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in deren Geist sein Haus einst gegründet wurde.« Nun gut. Ein anderer schreibt: »Werke zu publizieren, die uns helfen, unsere Zeit zu verstehen und eine Vision zu entwickeln, wie sie einmal werden soll …« Ein dritterwarnt: »Was braucht man, um seinen ersten Roman zu veröffentlichen? Viel Mut! Von fünfhundert monatlich eingesandten Manuskripten werden nur weniger als fünf nicht zurückgeschickt.« Na bitte, jetzt sind wir schon bei den Zahlen!
    Von den kleineren zieht besonders ein Verlag meine Aufmerksamkeit auf sich, er heißt
En lieu sûr
, »An einem sicheren Ort«. Ein kleines, aber feines Haus, das einer Verlagsgruppe angehört. Die Homepage öffnet sich mit einem Zitat von Alberto Manguel: »Ich bin überzeugt, dass wir so lange weiter lesen werden, wie wir die Welt um uns benennen wollen.« Das ist das erste Mal, dass zuerst von den Lesern gesprochen wird und nicht von den Autoren. Das schaue ich mir genauer an.
    Über den Link »Wenn Sie uns Ihr Manuskript zusenden möchten« findet man zur Begrüßung einen Brief des Verlagsgründers Albert Couvin, der sich trotz seiner Zugehörigkeit zu einem großen Verlag seine Verlegerpersönlichkeit bewahrt zu haben scheint.
    Er schreibt, man höre nie auf, etwas Neues zu entdecken, beim Schreiben von Büchern und auch beim Publizieren. Es ist sehr interessant, wie dieser Verleger, der sich als Glied in einer Kette sieht, sich an zukünftige Autoren wendet oder an solche, die es werden wollen. Er scheint dabei aufrichtig zu sein und stolz auf sein subjektives Urteil …
Ihnen zu sagen, welche Auswahlkriterien mich bei der Lektüre Ihres Manuskripts leiten werden, ist kaum möglich, ohne zu lügen. Es mit Leidenschaft zu lesen und daran zu glauben, dass sich hinter dem dünnen Deckblatt Ihres Manuskripts ein Schriftsteller verbirgt, ist die einzige Garantie, die ich Ihnen bieten kann …
Und er versichert, dass das Antwortschreiben von verschiedenen Lektoren des Hauses unterzeichnet und jedes Manuskript ausführlich kommentiert werden wird. Weiter unten gibt er noch ein paar kluge Ratschläge: Man solle die Wettbewerbe, das Strohfeuer der Anerkennung, den Medienrummel um die Stars und das Gefasel über Literatur vergessen … Ebenso
»die Ware Buch«, denn auch eine Million verkaufter Exemplare ist nur eine Zahl …
Und er beendet seinen Brief mit:
Erfreuen Sie sich mehr am Prozess des Schreibens als an der Vorstellung, ein Schriftsteller zu sein. Und wenn Sie, wie das alte Sprichwort sagt, hundert Mal Ihr Werk in den Rahmen gespannt haben, dann schicken Sie mir voller Stolz, was Sie gewebt haben. Ihr vielleicht zukünftiger Verleger, vor allem aber respektvoller Leser.
     
    Ich brauchte über eine Stunde, um mich von diesem Brief zu lösen, der gleichzeitig ausdrückt, was ich beim Lesen von Jades Roman empfunden wie auch mein Leben lang als Leserin erlebt habe. Wie bewegt ich war nach diesem Besuch! Ich hatte das Gefühl, dieser Text sei nur für uns bestimmt. Diesen Mann, der über das Schreiben sagt, was ich über das Lesen denke, würde ich gern kennenlernen. Unter dem Brief steht der Name des Gründers von
En lieu sûr
, und daneben findet sich ein kleiner Umschlag. Auch daran erkenne ich, dass er seinen Verlag leidenschaftlich liebt. Er schwebt nicht in unerreichbaren Sphären, man kann ihm schreiben, aber … Aber ich weiß nicht, wie das geht! Dass ich so ein dummes altes Huhn bin, bremst meinen Tatendrang. Keine Ahnung, wie man im Internet einen Brief verschickt. Dabei sehe ich meine Enkelin jeden Tag ihre elektronische Post abrufen. Es dauerte eine Weile, bis ich kapierte,warum ich sie immer vor ihrem Bildschirm fand, wenn sie gesagt hatte: Ich guck mal schnell in meine Post. Also muss ich wohl auf Jade warten, wenn ich einen Brief abschicken oder erhalten möchte, ohne dafür bei der Post vorbeizugehen, zum ersten Mal in meinem langen Leben.
    Die Neugier treibt mich, ein bisschen über diesen Mann zu recherchieren, den ich schon als Schicksalsboten und, warum nicht, als zukünftigen Verleger meiner Enkelin betrachte. Mal sehen. Ich versuche mich genau an das zu halten, was Jade mir beigebracht hat, und zu meinem großen Erstaunen stelle ich mich gar nicht so dumm an. Wir sind im selben Jahr geboren, 1927. Er war Verleger in den Vereinigten Staaten, dann Übersetzer in Japan, bevor er schließlich in Frankreich sein Verlagshaus gründete. Sein beständiges Engagement für Geist und Lehre muss ihn wohl zu einer bekannten Persönlichkeit gemacht

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