Frühstückspension: Kriminalroman
Eingang schlägt sie einen Haken wie eine junge Häsin und kommt zum Wagen zurück.
Vergeblich versuche ich, etwas in ihrem Gesicht zu lesen. Als sie neben mir sitzt, frage ich: »Hast du was vergessen?«
»So ziemlich alles«, antwortet Tomke tonlos.
»Fahr uns nach Hause.«
Mir ist klar, dass sie ein größeres Problem hat, und die betrunkene Maike ist dabei keine Hilfe. In mir keimt ein schlechtes Gewissen. Warum habe ich ihr noch mehr Probleme aufgehalst?
Aber wir mussten sie mitnehmen. Schließlich ist Tomke nicht unschuldig, dass Maike so viel Alkohol getrunken hat, tröste ich mich. Sie wird friedlich ihren Rausch ausschlafen, und morgen bringe ich sie nach Wilhelmshaven zurück. Danach fahre ich nach Hannover.
Maike lässt sich nur widerwillig von dem bequemen Autositz zerren. Wir haken sie gemeinsam unter, und wie befürchtet, müssen wir sie mehr tragen, als dass sie gehen kann. An der Tür stellen wir sie ab. Ich stemme mich gegen Maike, während Tomke aufschließt.
»Wohin mit ihr?«, keuche ich und hoffe, nicht die Treppe hoch in die erste Etage.
»Gleich ins Zimmer hier unten rechts«, sagt Tomke zu meiner Erleichterung, und wir lassen sie auf das breite Bett fallen. Maike dreht sich wie ein Kind auf die Seite, und ich decke sie zu. Ich streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht und denke wieder an Sandra. Morgen rufe ich sie an. Vielleicht hat Maike recht. Vielleicht ist ihre ganze selbstsichere Aufmachung nur Fassade.
Tomke holt wortlos einen Eimer und platziert ihn neben dem Bett. Sie kippt das Fenster und lässt die Tür angelehnt.
»Ich brühe mir einen Tee auf. Willst du auch einen?«, fragt mich Tomke im Vorbeigehen.
Ich folge ihr. Nicht ohne einen scheuen Blick in das Fernsehzimmer zu werfen. Die Mattscheibe flimmert, aber der Sessel ist leer. Anscheinend liegt er im Bett. Das ist mir recht und Tomke sicher auch.
»Willst du nun einen Tee?«, wiederholt Tomke. Sie hält abwartend die Teedose in der Hand.
»Nein danke«, schüttele ich den Kopf. »Ich will noch mal nach draußen.«
»Es wird gleich dunkel«, gibt Tomke zu bedenken. Aber ihre Warnung klingt halbherzig. Anscheinend wäre sie auch gern einen Augenblick lang allein.
»Ich weiß«, beruhige ich sie. »Ich bleibe nicht lange.«
8
Ich will mir nur noch einen wärmeren Pullover aus dem Auto holen. Da steht er vor mir. Wie immer gut aussehend. Wie immer ein wenig ungeduldig. Er scheint verlegen – das ist neu – und charmant. Reinhard.
Ich habe das Gefühl, auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen. Das geht zu schnell und ganz anders als geplant. Dieses Mal wollte ich die Karten in der Hand behalten und den Zeitpunkt bestimmen.
»Wie kommst du hierher?«, stammele ich hilflos.
»Du wirst es nicht für möglich halten. Mit der Bahn.«
Sein gewohnt ironischer Tonfall nimmt mir die erste Verwirrung.
Ich setze mich hinter das Lenkrad und öffne ihm wortlos die Beifahrertür.
Ich hatte nicht vorgehabt, mit dem Auto zu fahren, aber die Lust auf einen Spaziergang ist mir vergangen. Nicht mit Reinhard und schon gar nicht hier. Ich bin froh, dass Tomke in der Küche ihren Tee trinkt und das Fenster zur anderen Seite hinausgeht.
Reinhard verzieht ergeben das Gesicht und steigt ein.
»Was ist das für ein Auto?«, fragt er und gurtet sich routiniert an.
Allein damit hätte man jede Verwechslung ausschließen können. Reinhard hätte niemals wie Jochen unangeschnallt im Auto gesessen.
»Ein Leihwagen«, antworte ich und starte mechanisch den Wagen.
»Und unser Auto?«
»Schrott.«
Ich höre, wie er die Luft durch seine Zähne zieht. Es macht mir Freude, ihn hängen zu lassen. Eine übermütige Freude, die mich sogar lächeln lässt. Das macht ihn wütend.
»Ich hätte nichts gegen eine nähere Erklärung«, sagt er und bemüht sich, freundlich zu bleiben. Er will seinen Plan durchziehen, denke ich. Versöhnung und dann ab nach Hause. Dort wäre alles sofort wie immer. Der Fall wäre für ihn erledigt. Mich schüttelt es bei dem Gedanken, wie oft er mich mit dieser Taktik wieder ruhiggestellt hat. Schlimmer noch – ich habe es zugelassen. Warum braucht man für so einfache Dinge, für einen ersten kleinen Schritt, so lange Zeit?
»Ich hatte einen Unfall«, antworte ich knapp. Jede weitere Erklärung scheint mir verschwendete Energie. Er ist sie mir nicht mehr wert.
»Ein Reifen ist geplatzt«, füge ich hinzu.
Reinhard nickt verstehend.
»Andere Fahrzeuge beteiligt?«
Ich schüttele den Kopf.
Er schweigt mit
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