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Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen

Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen

Titel: Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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sprechen. »Und um alles noch schwieriger zu machen, war sie außerdem eine reiche Erbin. Ihr Vater und ihr Onkel starben, als sie noch ein Kind war, daher hatte ihr Großvater, der reich war wie Krösus, niemand sonst, dem er sein unrechtmäßig erworbenes Geld hinterlassen konnte. Es brachte ihr keinen Segen.« Harriets Stimme hatte immer düsterer geklungen, und schließlich brach sie beinahe schroff ab.
»Das kann ich mir vorstellen. Mit Diabetes durchs Leben zu gehen ist schon eine Last.«
»Das Geld war die schlimmere. Aber sie hat sie nicht lange getragen.« Harriet leerte ihre Tasse und stellte sie so heftig auf das Tablett, daß sie klirrte. »Sie war erst dreiundzwanzig, als sie an einer Überdosis starb.«
»Tut mir leid«, sagte Meredith hilflos. »Hatte es mit der Diabetes zu tun?«
»Nicht direkt. Angeblich war es eine Depression. Sie war deshalb in Behandlung. Die Ärzte haben ihr alle möglichen Pillen verschrieben. Ich habe ihr gesagt, sie soll das ganze Zeug wegwerfen. Ich wünschte, sie hätte es getan. Sie wissen doch, hat eine Frau erst einmal den Ruf, eine Neurotikerin zu sein, nimmt sie niemand mehr ernst. Egal, was ihr fehlt, man verschreibt ihr noch mehr Pillen und sagt ihr, sie soll’s leichtnehmen. Niemand hört ihr zu. Niemand glaubt ihr mehr, aber man ist bereit, alles zu glauben, was irgendjemand über sie sagt.«
»Das ist in der Tat ein Problem«, sagte Meredith vorsichtig. »Mit einem neurotischen Menschen zurechtzukommen ist nahezu unmöglich. Sie erzählen einem phantastische Geschichten. Ich hatte selbst mit einigen zu tun.«
»Ja, ich weiß, es ist meist blinder Alarm.« Harriet nickte. »Aber wenn man den Menschen kennt, kann man gewöhnlich die Tatsachen aus dem Wirrwarr herausschälen. Ich bin keine allzu phantasiebegabte Person, wahrscheinlich bin ich in gewisser Weise ziemlich nüchtern. Aber ich bin nicht ohne Mitgefühl. Ich habe mit diesem Wohltätigkeitsjob nicht etwa aufgehört, weil ich mit den Leuten kein Mitleid gehabt hätte. Ich habe aufgehört, weil ich so frustriert war. Ich habe wie eine Sklavin geschuftet, um einen Fall zu einem guten Ende zu bringen, und dachte, ich hätte es geschafft, und eine Woche später taucht die Frau mit der gleichen düsteren Geschichte wieder in meinem Büro auf. Wenn man bei einer solchen Organisation arbeitet, lernt man zwischen Wahrheit und Betrug zu unterscheiden.« Sie schwieg einen Augenblick. »Aber manchmal irrt man sich trotzdem. Ich mag es nicht, wenn man mich zum Narren hält.«
Im Flur klingelte das Telefon. »Entschuldigen Sie«, sagte Harriet und lief hinaus. Sie schloß die Tür hinter sich, und Meredith hörte ihre Stimme nur noch gedämpft, ohne ein Wort unterscheiden zu können. Sie war froh, daß ihr erspart blieb, zur unfreiwilligen Lauscherin zu werden. Dann hob Harriet aggressiv die Stimme und knallte schließlich den Hörer auf die Gabel. Sie kam mit geröteten Wangen zurück und ging zum Barschrank. »Hätten Sie gern ein Glas Sherry? Oder etwas Stärkeres? Wir könnten einander frohe Weihnachten wünschen und so weiter.« Sie griff schon nach den Gläsern. Ganz offensichtlich hatte sie die feste Absicht, etwas zu trinken.
»Ein Sherry wäre schön«, sagte Meredith, die eigentlich mitten am Tag nur ungern trank.
Harriet schob die Whiskyflasche zurück und schenkte zwei Sherry ein. Sie stießen miteinander an.
»Auf abwesende Freunde«, sagte Harriet, bevor sie trank. »Mögen sie unvergessen bleiben.«
    Wie die dunklen Wolken angekündigt hatten, begann es am Nachmittag zu regnen, und als Alan Markbys Scheinwerfer über die Vorderfenster von Rose Cottage strichen, goß es in Strömen. Er sprintete über den kurzen Gartenweg und schoß durch die Haustür, die ihm Meredith offenhielt.
    In der winzigen Diele an sie gepreßt, stammelte er, vor Nässe triefend, Entschuldigungen. Sie fand, daß er sich überhaupt nicht verändert hatte. Es war dasselbe magere, intelligente, ein wenig wachsame Gesicht und, soweit sie sah, dasselbe alte BarbourJackett. Er gehörte zu den Männern, die neue Kleidung verabscheuten. Das Haar fiel ihm feucht und glatt in die Stirn, und er kniff die blauen Augen zusammen, als sei er in Sorge oder erschrocken.
    »Haben Sie einen Regenmantel?« fragte er. »Wir müssen vom Parkplatz des Pubs ins Lokal laufen. Es gießt wie aus Kannen.«
    »Ich habe einen Anorak mit Kapuze. Habe schon befürchtet, es könnte Weihnachten regnen.« Warum redeten Engländer, wenn sie sich nach langer Zeit

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