Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
ziemlich einsam hier, was die gegenüberliegende Straßenseite betrifft. Das Cottage rechts von mir – das mit dem scheußlichen unechten Wunschbrunnen im Vorgarten gehört dem Typen, der die Werkstatt an der Hauptstraße hat, Joe Fenniwick; er wohnt mit seiner Frau da. Ständig, genau wie ich. Übrigens ist Joe ein guter Mechaniker, Sie dürfen ihm Ihren Wagen ruhig anvertrauen, wenn was dran ist. Das Cottage links von mir hat irgend so ein Geschäftsmensch gekauft, der mit seiner Freundin die Wochenenden hier verbringen wollte. Er hat ein Vermögen in die Renovierung gesteckt, und jetzt ist seine Freundin auf und davon, und er möchte verkaufen. Aber im Moment sind die Preise im Keller. Bleibt noch das eine am anderen Ende, das einem Paar gehört, das sich im Frühling hier zur Ruhe setzen möchte. Hoffe, daß sie die Ruhe lieben. Zur Zeit steht es leer, obwohl sie gewöhnlich am Wochenende auftauchen und im Haus herumwerkeln, ein paar Sachen streichen und Nägel einschlagen. Es ist also ziemlich einsam hier, aber ich mag es so.«
»Ich werde unter der Woche täglich nach London fahren müssen«, sagte Meredith mit leichtem Bedauern. »Nach Neujahr fange ich an. Allmählich beginne ich mich zu fragen, ob ich mir damit nicht zuviel zugemutet habe.«
»Lieber Sie als ich«, sagte Harriet offen. »Was machen Sie beruflich?«
Meredith erklärte es ihr. Harriet sah sie nachdenklich an. »Ich bewundere jeden, der sich in einer Stellung halten kann«, sagte sie plötzlich. »Mit achtzehn habe ich eine Weile gearbeitet. In Liverpool, ich wohnte damals nämlich in Wirral, und da bin ich jeden Tag rübergefahren und habe meine Stunden abgedient. Ich habe gesagt, ich hätte gearbeitet, aber ich meine, es war für eine Wohltätigkeitsorganisation, die eines dieser Zentren unterhält, in denen man den sozial Benachteiligten zu helfen versucht. Sie haben einen Tages-Aufenthaltsraum für alte Menschen, einen Club für junge Mütter, eine Kinderkrippe und alle möglichen Projekte für Jugendliche. Ich will ehrlich sein, ich hab’s nicht durchgehalten. Ich habe nur vormittags gearbeitet, aber sogar die Vormittage waren zuviel für mich.« Sie schnitt eine leichte Grimasse. »Ich bin finanziell unabhängig, was man heute nicht mehr laut sagen darf. Die Leute sehen einen an, als hätte man die Pest. Dann habe ich versucht zu schreiben und habe die Absicht, wieder damit anzufangen. Aber ich bin am liebsten im Freien, das ist mein Problem, und das Schreiben nimmt einem soviel Zeit weg. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte auf einer regulären Basis etwas Richtiges und Lohnendes zustande gebracht.«
»Das könnten Sie«, sagte Meredith prompt. »Sie haben einfach noch nicht den richtigen Job gefunden.«
Harriet sah wieder nachdenklich drein. »Vielleicht finde ich ihn eines Tages. Und vielleicht habe ich das für mich Richtige schon gefunden. Ich meine keinen Job, aber etwas, das trotzdem getan werden muß.«
Ihr Blick schweifte ab, während sie sprach, und blieb auf einer der Fotografien haften. Es war ein älteres Bild, das drei kleine Mädchen in Sandalen und Sonnenkleidchen zeigte, die sich um einen Spaniel gruppierten. Eins der kleinen Mädchen hatte rote Locken.
Harriet warf Meredith einen Blick zu und sah, daß sie das Bild betrachtete. »Das bin ich«, sagte sie und zeigte darauf. »Immer leicht zu erkennen an meinen karottenroten Haaren.« Sie stand auf, nahm das gerahmte Foto und trug es zu Meredith hinüber. »Neben mir steht meine Cousine Fran. Wir waren fast gleich alt und eigentlich mehr wie Schwestern, nicht wie Cousinen.«
»Und wer ist das?« Meredith zeigte auf das dritte Kind, ein hübsches, kleines Mädchen mit dunklem Haar und einem gewinnenden und schelmischen Lächeln. »Sie sieht wie ein glückliches Kind aus.«
»Oh, das ist Caro, Caroline Henderson, eine Freundin.« Harriets Stimme klang noch immer beiläufig, doch schien Meredith die Sorglosigkeit jetzt ein wenig forciert. »Sie war ein glückliches Kind. Das waren wir alle. Wir hatten eine schöne Kindheit. Ich bin froh, daß Caro damals glücklich war, denn später war sie es nicht mehr, ganz bestimmt nicht.« Sie zog das Foto plötzlich zurück und stellte es an seinen Platz auf dem Tisch zurück.
»Tut mir leid«, sagte Meredith verlegen.
Harriet sah ein wenig beschämt aus. »Ich wollte nicht fauchen. Verzeihen Sie. Aber wir hatten sie alle so gern. Caro war Diabetikerin.« Sie schien sich zu bemühen, ganz leidenschaftslos und sachlich zu
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