Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
alle im Pub. Und sind dort geblieben. Cheryl war sauer.«
»Waren Sie – betrunken?«
»Nein, ich war nicht betrunken.«
Markby gab die Befragung in dieser Richtung auf. Sie führte zu nichts. Wenn Pardy die Pferde herausgelassen hatte, würde sich das nur schwer beweisen lassen. Am Weihnachtsabend sind die Leute ständig in Bewegung – wie an Silvester. Die jungen Leute wechselten wie Ebbe und Flut aus Gasthäusern in Diskotheken und wieder zurück. Natürlich waren einige betrunken, andere von irgendeinem Kraut high, einige zu scharf, um etwas anderes zu sehen, als das andere Geschlecht, und der Rest war so mit sich selbst beschäftigt, daß er überhaupt nichts merkte.
»Schön, dann kehren wir zu den Ereignissen auf dem Market Square zurück – oder nein, besser zu dem Freitag davor. Letzten Freitag. Da haben Sie in Bamford Unterschriften für eine Petition gesammelt.«
»Ja, das hab ich.« Pardy sah überrascht, unangenehm berührt und dann wachsam aus. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Eine Polizeistreife, und außerdem hat Sie halb Bamford gesehen. Sie sind auch Miss Needham angegangen, die Dame, die heute zu Tode gekommen ist.«
»Bin ich das? Ich erinnere mich nicht. Ich habe viele Leute gefragt. Hat sie so geheißen?«
»Sie sind Miss Needham angegangen«, wiederholte Markby. »Und sie hat so geheißen, egal, ob Sie es damals wußten oder nicht, und Sie haben sie gebeten zu unterschreiben. Sie hat Sie schroff abgewiesen und Sie zurückgestoßen.«
»He«, platzte Pardy gekränkt heraus, »wer behauptet das? So ein Scheiß!«
Markby sah ihn ruhig an.
»Eine sehr vertrauenswürdige Zeugin.«
»Ach ja? Also Ihre sehr vertrauenswürdige Zeugin kann …«
»Haben Sie Miss Needham angesprochen?« Markby brüllte beinahe los, bevor Pardy den Satz beenden konnte. »Und als sie weiterging, haben Sie da nicht gesagt: ›Na warte bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag!‹ oder so ähnlich?«
»Ich erinnere mich nicht.«
»O doch, Sie erinnern sich. Sie waren wütend. Sie hatten auch Grund dazu. Sie hat Sie gestoßen. Hat Sie vor allen anderen, die zugesehen haben, lächerlich gemacht. Hat Sie das nicht geärgert? Hätten Sie es ihr nicht gern heimgezahlt?«
Pardy fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich verlange einen Anwalt.«
»Oh, warum denn?«
»Weil es mein Recht ist, darum. Mein Anwalt soll kommen. Ich sage kein Wort mehr, ehe er nicht hier ist, und bilden Sie sich ja nicht ein, daß ich irgend etwas unterschreibe.«
»Na schön, und wie heißt Ihr Anwalt?« fragte Markby und nickte Pearce zu.
In den Augen des Inhaftierten blitzte es boshaft auf. »Colin Deanes«, sagte er und hatte die Genugtuung zu sehen, daß der Chefinspektor einen Moment lang sprachlos war.
Aus der Untersuchungshaft mit der strengen Auflage entlassen, sich nicht aus der Stadt zu entfernen, ging Simon Pardy später am Abend nach Hause. Er wohnte in einem Reihenhaus in der Jubilee Road, einer Straße mit heruntergekommenen Villen aus der Zeit König Eduards. Nummer dreiundvierzig, wo er mit drei anderen jungen Leuten hauste, war noch baufälliger als die meisten Häuser dort. Es hatte keine Innentoilette. Bei jedem Wetter mußte man in das Häuschen neben dem Kohlenschuppen im Hinterhof gehen. Die steinernen Einfassungen der Erkerfenster bröckelten, und das obere Erkerfenster hatte deutlich Schlagseite. Das gesamte Mauerwerk mußte dringend neu verfugt werden, und die Farbe blätterte überall ab. In dem Zustand, in dem das Haus war, würde es dem Hauswirt schwerfallen, respektable Mieter zu finden, und er war froh, es für viel zuviel Geld an die jungen Leute zu vermieten.
Simon Pardy wohnte hier, seit er in einem Pub zufällig Mick Leary kennengelernt hatte. Er hatte einen Unterschlupf gesucht, Micky und die beiden Mädchen einen vierten Mieter, da vor kurzem jemand ausgezogen war. Sie mußten zu viert sein, um die Miete aufbringen zu können. Pardy war sofort eingezogen.
Micky war Lagerarbeiter, die beiden Mädchen, Tracy und Cheryl, Hilfskräfte im Supermarkt. Wenn sie nicht arbeiteten, zogen sie sich gleich an – trugen beide enge schwarze Leggings, schwarze Lederjacken und schwarze Wildlederstiefel. Sie hatten schwarzgefärbte, streichholzkurze Haare und vielfach durchstochene Ohrläppchen, um ein ganzes Dickicht an Ohrringen daranzuhängen. Beide waren klein, plump und voller Energie, und wenn sie in ihrem schwarzen Outfit die Straße entlangwieselten, sahen sie wie zwei Spinnen aus, die hinter einem Opfer
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