Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
gesagt. »Keiner von uns weiß was über ihn.«
Andererseits, warnte eine kleine Stimme im Hintergrund von Markbys Bewußtsein, konnten Aussehen und Verhalten des jungen Menschen Verstellung sein. Vielleicht ist er einfach naiv und meint es gut, dachte er. Vielleicht weiß er aber auch haargenau, was er tut – aus Gründen tut, von denen seine Gefährten keine Ahnung haben und die alles andere als wohlmeinend sind. Es mochte sich lohnen, bei anderen Police Departments nachzufragen, ob Simon Pardy Verbindung zu anarchistischen Gruppen gehabt hatte. Es war nur ein Gedanke.
»Hören Sie, Meredith.« Markby beugte sich vor »Sie waren Zeugin des Zwischenfalls, bei dem Harriet starb, und waren auch dabei, als sie und Pardy sich an diesem Freitag begegneten. Erzählen Sie mir zuerst, wie Sie den Zwischenfall auf dem Market Square in Erinnerung haben.«
Meredith goß sorgfältig Tee ein und sammelte dabei ihre Gedanken. Sie schob die Unterlippe vor und strich sich mit der Hand über das dichte braune Haar. Sie trug einen gestrickten Pullover aus flauschiger Wolle und Jeans. »Nun« – sie schob die Ärmel des Pullovers zu den Ellenbogen hinauf –, »das ist komisch. Obwohl das Ganze vor mir abläuft wie ein Stummfilm, kann ich nicht genau sagen, wer wo war und so weiter.«
»Das erwarte ich auch nicht von Ihnen. Das können die Leute nie sagen. Sie geben es wenigstens zu. Der schlimmste Zeuge ist, der eine Tatsache beschwört, sich jedoch – und das guten Glaubens – irrt, aber unerschütterlich bei seiner Aussage bleibt. Es ist äußerst schwierig, sich an etwas zu erinnern, das plötzlich geschieht, unerwartet und unter aufwühlenden Umständen. Versuchen Sie Ihr Bestes.«
»Lassen Sie mich überlegen. Harriet ist ganz dicht an die Demonstranten herangeritten, was mich überrascht hat. Es war, als ob sie sie gar nicht sähe. Sie sind zurückgewichen, nur Pardy ging auf Harriet zu
– oder war’s nur so, daß die anderen zurückgegangen sind und er allein stehenblieb? Ich könnte nichts beschwören. Er schwenkte wild und völlig idiotisch sein Plakat. Das Pferd scheute. Harriet fiel herunter … Pardy stand da und sah sehr selbstzufrieden aus, hob irgendwie triumphierend die Arme. Fearon hat Harriets Pferd eingefangen, nicht wahr? Ein oder zwei Minuten später hat er es jedenfalls am Zügel geführt. Dann kam Green geritten. Er muß durch die Menge gekommen sein, aber ich habe ihn nicht gesehen. Plötzlich war er da, nahm den Zylinder ab und schaute auf Harriet hinunter.«
»Was haben Sie über Greens Geste gedacht?« fragte Markby.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich habe Gänsehaut dabei bekommen. Ich mußte an dieses Voodoo-Dings denken, das um Friedhöfe herumhängt und einen Zylinder trägt.« Das Bild von Greens entblößtem Kopf, seinem Gesicht und seiner Miene stieg vor ihrem geistigen Auge auf. Geschockt? Nein, dachte sie, er hat erleichtert ausgesehen, das war’s. Doch jetzt bilde ich mir alles mögliche ein, sagte sie sich sofort und behielt diesen Eindruck für sich. »Was haben Sie gedacht?« Sie versuchte Zeit zu gewinnen.
»Ich? Streng unter uns, ich fand das Ganze grotesk. Obwohl es korrekt und zweifellos als Zeichen des Respekts gemeint war. Ich glaube nicht, daß es Tom Fearon gefallen hat.«
»Nein, ich habe gemerkt, daß er verärgert aussah. Vielleicht mag er einfach Green nicht besonders.«
»Wieso sagen Sie das?« Markby sah sie neugierig an.
Sie wurde rot. »Das war nur so ein Gedanke. Es ist sehr warm hier drin. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das Gasfeuer ein bißchen runterdrehe?« Sie stand auf und bückte sich, um den Schalter zu erreichen. »So erinnere ich mich daran. Tut mir leid, daß ich nichts Besseres zu bieten habe.«
»Ist Ihnen kurz vor dem Unfall aufgefallen, daß Harriet wie benebelt aussah oder unsicher im Sattel saß?«
»Ja, das ist mir aufgefallen, sehr deutlich sogar, sie schien mir einfach nicht sie selbst. Obwohl ich sie natürlich nicht sehr gut oder lange gekannt habe. Ich kann es nicht beurteilen.«
»Und wenn Sie ganz schlicht Ihre Beobachtungsgabe einsetzen, wie hätten Sie sie beschrieben? Verkatert? Noch beschwipst?«
»Ich weiß nicht, Alan«, platzte Meredith verärgert heraus. »Ich habe kein Recht, eine Vermutung auszusprechen. Und Sie sollten mich das nicht fragen – es ist eine Suggestivfrage, und wenn Sie sie mir vor Gericht stellen würden, würde der Richter intervenieren und dem Protokollführer sagen, er solle sie streichen. Warum fragen Sie nicht Dr.
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