Fuchserde
Tiere nicht mehr. Und als sei es selbstverständlich, reden sie auch nicht mehr mit ihnen. Weil sie nie erfahren haben, wie lehrreich das ist. Viele Menschen sind heute weder mit sich noch mit der Natur verbunden. Sie haben das blinde Verständnis für natürliche Erscheinungen verloren und wundern sich, warum sie sich oft so alleine und unverstanden fühlen. Sie haben sich vom Leben abgesondert und jede lebendige Phantasie in sich sterben lassen. Sie wollen nichts mehr zulassen und sie leben, ohne es zu bemerken, in eingefahrenen Ritualen. Die Zukunft ist für sie nur noch die Wiederholung der Vergangenheit. Sie freuen sich über scheinbare Abwechslung und gehen im Kreis.
Das Einzige, was diesen Menschen geblieben ist, sind ihre Träume. Und nicht einmal deren Wert schätzen sie. Dabei sind Träume ein so wunderbares Geschenk. Sie zeigen uns unsere Natur, zeigen uns, dass Bäume und Steine sehr wohl leben, dass sie empfinden und uns Rat geben. Sie führen uns vor, dass Märchen Wirklichkeit sind. Aber nicht einmal diese einfachen Wahrheiten wollen die Menschen akzeptieren, nicht einmal die Symbole ihrer Träume wollen sie in ihr Leben lassen. Wenn heute jemand behauptet, er habe eine Vision gehabt, Stimmen gehört oder gar mit Gott gesprochen, wird er nicht als Seher oder Orakel genutzt, sondern für verrückt erklärt.
Früher, mein kleiner, schlauer Fuchs, da haben die Menschen an eine Unzahl von Göttern geglaubt. Später begnügten sie sich mit einem Gott und stellten dem dann doch noch den Teufel zur Seite. Heute nennen sie ihren Gott Vernunft oder Intelligenz. Und je konsequenter sie an diesen neuen Gott glauben, desto weniger merken sie, dass das ihre bisher größte Illusion ist. Und die bisher gefährlichste obendrein, da sie sich noch nie auf einen Gott so sehr verlassen haben wie auf diesen. Wenn er sie dann einmal im Stich lässt, so sehr im Stich lässt, dass sie es erkennen müssen, dann verzweifeln sie. Dann rufen sie nach ihren alten Gefühlen, ihrem alten Gott, und hadern mit sich und ihm, weil er nicht mehr zu ihnen spricht. Sie merken gar nicht, dass Gott sehr oft zu ihnen spricht, sie es aber sind, die nicht achten wollen – auf ihre Gefühle, ihre Träume und ihre Visionen.
Es ist schön für mich zu sehen, dass du bereits erfahren hast, wovon ich spreche, mein kleiner, schlauer Fuchs. Doch du bist nun in einem Alter, in dem die Eitelkeit und der Hochmut erwachen. Gib Acht, mein kleiner Fuchs, dass du weiterhin den Kern deines Lebens nie außerhalb von dir suchst. Die Quelle des Glücks liegt stets in dir und nur dort wirst du sie finden. Gib Acht, dass du sie nie woanders suchst, sonst entfernst du dich von ihr und damit auch von dir. Du bist in eine Welt geboren, mein kleiner Fuchs, deren Sinn der ewige Fortschritt und die Ablenkung zu sein scheint. Der Mensch erfindet stets neue Hilfsmittel zu seiner Unterhaltung und verliert dabei die Fähigkeit, sich mit sich selbst, seinem eigenen Ich, zu beschäftigen. Er hat sich auf immer mehr Bedürfnisse eingerichtet und ist sich selbst nicht mehr genug. Sein Verlangen nach mehr stillt er mit oberflächlicher Unterhaltung und Zerstreuung, der er Bedeutung zukommen lässt. Die Menschen plantschen im Seichten und vermissen den Sinn und die Tiefe in ihrem Leben.
Es liegt ausschließlich an dir, mein kleiner, schlauer Fuchs: Wenn du weißt, dass es Gott gibt, wird es ihn für dich geben. Wenn du weißt, dass der Bach, die Steine, die Pflanzen und die Tiere mit dir sprechen, werden sie mit dir sprechen und du wirst sie verstehen. Wenn du weißt, dass das Glück in dir ist, und nur in dir, wird es in dir sein. Es wird alles tatsächlich sein. Nicht nur in deinem Glauben, nicht nur in deiner Einbildung. Es wird wahr sein und du wirst es begreifen. Du wirst eins sein mit dem göttlichen Kosmos, dessen Teil du bist. Glaubst du aber nicht daran, weißt du es nicht, wird es nicht sein. Gehst du achtlos vorbei, suchst du dich außerhalb deiner selbst, wirst du dich nicht finden. Dann gibt es all das nicht. Dann träumst du nur davon.
6.
Der Eiswind fegte noch immer über die meterdicke Schneeschicht. Steinhart hatte er sie in den letzten Tagen und Nächten niedergewalzt. Lückenlos. Ohne Erbarmen. Der Eiswind rieb sich an allem, was sich ihm in den Weg stellte. Er knallte an Bäume und Häuser, riss und rüttelte an ihnen und wenn sie nicht nachgeben wollten, ummantelte er sie mit Frost. An Pflöcken und Ästen hatte er handbreite, waagrechte
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