Fuchsjagd
hätte keinen ungünstigeren Moment gewählt haben können, um unangemeldet in diesem Haus zu erscheinen. Sie stellte sich vor, wie peinlich es für den Colonel wäre, wenn er, noch mit Tränen in den Augen, in die Küche käme, um nach Mark zu sehen, und sie hier am Tisch sitzend vorfände.
»Also, ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es so genial ist«, sagte sie unvermittelt. »Ich habe ihn vorhin über Ihre Schulter hinweg gesehen, ich weiß, dass er nicht schläft. Was ist, wenn er sich wundert, wo Sie bleiben, und Sie sucht? Es wird ihn völlig aus der Fassung bringen, mich hier vorzufinden.« Sie sah zu einer Tür in der Ecke hinüber. »Wenn man da ins Freie hinauskommt, kann ich verschwinden, ohne dass er je erfährt, dass ich hier war.«
Vielleicht hatte auch Mark Bedenken bekommen, denn sein Blick schweifte unschlüssig zum Korridor. »Es geht ihm ziemlich schlecht«, sagte er. »Ich glaube, er schläft kaum.«
Sie setzte ihre Mütze wieder auf. »Ich komme in zwei Stunden wieder, aber ich rufe vorher an, damit er sich seelisch darauf einstellen kann. Ich hätte es gleich so machen sollen.«
Er blickte ihr einen Moment forschend ins Gesicht. »Nein«, sagte er dann und nahm sie leicht beim Arm, um sie zum Korridor zu führen. »Ich habe Angst, dass Sie nicht wiederkommen. Mein Mantel und meine Gummistiefel sind in der alten Spülküche, von dort aus kommen wir genau auf der anderen Seite des Hauses raus. Wir gehen jetzt eine Runde spazieren, es wird Ihnen gut tun, sich nach der Fahrt die Füße zu vertreten, und in einer halben Stunde werfen wir einen diskreten Blick durch das Wohnzimmerfenster und sehen, wie es ihm geht. Was halten Sie davon?«
Sie war sofort viel entspannter. »Gut«, sagte sie. »Marschieren ist mehr mein Ding als mit kniffligen gesellschaftlichen Situationen umgehen.«
Er lachte. »Mir geht's genauso. Kommen Sie.« Er wandte sich nach rechts und führte sie in einen Raum mit einem großen alten Spülstein auf der einen Seite und einem Durcheinander von Stiefeln, Pferdedecken, Regenzeug und dicken Mänteln auf der anderen. Auf dem Boden lagen ausgetrocknete Erdklumpen, die aus den Profilen dicker Gummisohlen herausgefallen waren, auf dem Spülstein und den Fensterbrettern hatten sich Staub und fettiger Schmutz gesammelt.
»Es schaut ein bisschen chaotisch aus.« Er vertauschte seine Gucci-Slipper mit alten Gummistiefeln und schlüpfte in einen Ölmantel. »Ich denke manchmal, jeder, der irgendwann mal hier gelebt hat, hat zum Beweis dafür ein Stück von sich hier hinterlassen.« Er zog einen alten Überzieher hoch, der an einem Haken hing, und ließ ihn wieder fallen. »Der hat James' Urgroßvater gehört. Er hängt hier seit ewigen Zeiten. James sagt, er findet es schön, ihn jeden Tag zu sehen – es gibt ihm ein Gefühl von Kontinuität.«
Er öffnete die Tür ins Freie, die in einen ummauerten Hof führte, und ließ Nancy vorausgehen. »Ailsa nannte das ihren italienischen Garten«, bemerkte er mit einer Kopfbewegung zu den großen Terrakottatöpfen, die überall verteilt standen. »Im Sommer bekommt man hier bis abends Sonne, und sie hatte in diesen Töpfen immer Blumen, die erst abends ihren Duft entfalteten. Sie sagte oft, es sei ein Jammer, dass der Hof auf der hässlichen Seite des Hauses ist, wo er doch der schönste Platz zum Sitzen sei.
Das ist die Rückseite der Garage.« Er wies zu einem ebenerdigen Bau auf ihrer Rechten. »Und hier –« er öffnete den Riegel einer Bogentür aus Holz in der Mauer, die sich vor ihnen befand –»kommen wir in den Küchengarten.«
Der Innenhof sah so traurig und vernachlässigt aus, als wäre er seit dem Tod seiner Herrin von niemandem mehr betreten worden. Unkraut wucherte zwischen den Pflastersteinen, und in den Terrakottatöpfen waren nur noch die brüchigen braunen Skelette lang verdorrter Pflanzen.
Mark hielt es offenbar für selbstverständlich, dass Nancy wusste, wer Ailsa war, obwohl er es ihr nicht gesagt hatte, und Nancy fragte sich, ob er von den Briefen des Colonels an sie wusste.
»Hat James Hausangestellte?«, fragte sie und folgte ihm in den Gemüsegarten.
»Nur ein altes Ehepaar aus dem Dorf – Bob und Vera Dawson. Er macht die Gartenarbeit und sie putzt. Da sie beide beinahe so alt sind wie James, passiert da nicht mehr viel. Wie Sie sehen.« Mit einer Geste umfasste er den verwilderten Nutzgarten. »Ich glaube, Bob schafft es gerade noch den Rasen zu mähen, und Vera ist inzwischen so senil, dass sie den
Weitere Kostenlose Bücher