Fuchsjagd
Elektrizitätswerk meiner Großmutter damit drohte, den Strom abzustellen. Sie fand die roten Rechnungen hübscher als die anderen und stellte sie auf dem Kaminsims auf, um das Zimmer freundlicher zu gestalten. Auf den Gedanken, sie zu bezahlen, kam sie gar nicht.« Sie lächelte in Erwiderung seines Lächelns. »Ich habe sie deswegen nicht weniger geliebt«, sagte sie. »Und wer lebt sonst noch in Shenstead?«
»Auf Dauer kaum jemand. Das ist ja das Schlimme. Da sind die Bartletts im Shenstead House – er ist vorzeitig in den Ruhestand gegangen und hat ein Vermögen mit dem Verkauf seines Hauses in London gemacht; die Woodgates in Paddock View – sie sind als Verwalter für das Unternehmen tätig, dem die meisten der Ferienhäuser gehören, und zahlen nur eine geringfügige Miete; und die Weldons auf der Shenstead Farm.« Er wies auf einen Wald, der im Westen an das Parkland grenzte. »Ihnen gehört der Grund dort drüben, streng genommen gehören sie also gar nicht mehr zum Dorf. Ebenso wie die Squires und die Drews im Süden.«
»Sind das die Pächter, die Sie erwähnt haben?«
Er nickte. »Das ganze Land von hier bis zum Meer hinunter gehört James.«
»Allerhand«, sagte sie. »Das ist ein Riesenbesitz. Und wie kommt es, dass die Dorfbewohner ein Wegerecht auf seinem Grund haben?«
»James' Urgroßvater, der Mann, dessen Überzieher Sie vorhin in der Spülküche gesehen haben, gewährte den Fischern das Recht, Boote und Fang zwischen der Küste und dem Dorf zu transportieren, weil er Shenstead zu einem wichtigen Standbein der Hummerindustrie machen wollte. Ironischerweise stand er damals vor dem gleichen Problem wie wir heute – ein sterbendes Dorf und kaum noch Arbeitskräfte. Es war die Zeit der industriellen Revolution, und die jungen Leute liefen in Scharen davon, um besser bezahlte Arbeit in den Städten zu finden. Er hoffte, über die erfolgreichen Unternehmen in Weymouth und Lyme Regis ins Geschäft zu kommen.«
»Hat es geklappt?«
Mark nickte. »Ungefähr fünfzig Jahre lang. Das ganze Dorf lebte von der Hummerverarbeitung. Die einen arbeiteten im Transport, die anderen an den Kesseln, es gab Zubereiter und Packer, und das Eis wurde tonnenweise angekarrt und in Eishäusern im ganzen Dorf gelagert.«
»Existieren die Eishäuser noch?«
»Soviel ich weiß, nicht. Sie wurden nicht mehr gebraucht, nachdem der Kühlschrank erfunden war.« Er wies zurück zum japanischen Garten. »Aus dem Eishaus, das hier mal war, wurde der Teich, den wir eben gesehen haben. James hat in einem der Nebengebäude noch eine Sammlung der Kupferkessel, in denen die Hummer gekocht wurden, aber das ist so ziemlich alles, was von damals übrig geblieben ist.«
»Und warum ist das Hummergeschäft so sang- und klanglos untergegangen?«
»Daran war der Erste Weltkrieg schuld. Väter und Söhne gingen an die Front und kamen nicht zurück. Es war natürlich überall das Gleiche, aber hier, in diesem kleinen Ort, wo die Männer gebraucht wurden, um die Boote ins Wasser zu lassen und wieder herauszuhieven, waren die Folgen verheerend.« Er führte sie zur Mitte der Rasenfläche hinaus. »Von hier aus kann man das Stück Küste gerade noch erkennen. Es gibt da keinen guten Ankerplatz, deshalb mussten sie die Boote aufs Trockene hinaufziehen. Es hängen noch Fotografien davon in einem der Gästezimmer.«
Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab. »Wenn dieses Gewerbe so arbeitsintensiv war, war es auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt«, sagte sie. »Die Preise hätten niemals mit den Produktionskosten Schritt gehalten, und das wäre das Aus gewesen. Mein Vater sagt immer, den größten Schaden hat in den ländlichen Gemeinden die Mechanisierung in der Landwirtschaft angerichtet. Ein einziger Mann auf einem Mähdrescher arbeitet für fünfzig, und er tut die Arbeit schneller, besser und mit weit weniger Ausschuss.« Sie wies mit dem Kopf auf die Felder vor ihnen. »Auf diesen beiden Höfen wird das Pflügen und Dreschen bestimmt an Auftragsunternehmen vergeben.«
Er war beeindruckt. »Wie können Sie das so mit einem Blick erkennen?«
»Kann ich gar nicht«, erwiderte sie und lachte, »aber Sie haben nichts davon gesagt, dass Arbeiter im Dorf leben. Vergibt der Bauer im Westen seine Feldarbeit auch?«
»Dick Weldon? Nein, der kümmert sich um alles selbst. Er hat bereits einen gut gehenden landwirtschaftlichen Betrieb auf der anderen Seite von Dorchester und hat dann vor drei Jahren die Shenstead Farm für einen Apfel
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