Fuchsjagd
verladen. Wir sind die Ablenkung. Während alle auf uns schauen, macht Fox sein eigenes Ding.«
»Das Haus scheint ihn jedenfalls unheimlich zu interessieren«, sagte ihr Mann. Er legte die Säge nieder und wies mit einer Kopfbewegung zum Herrenhaus. »Immer verschwindet er in der Richtung.«
Ivo blickte nachdenklich auf die Bäume. »Wer ist der Kerl überhaupt? Kennt ihn einer von euch? Habt ihr ihn schon öfter gesehen?«
Sie schüttelten alle die Köpfe. »Er ist ein Typ, der auffällt«, meinte Zadie, »aber das erste Mal haben wir ihn in Barton Edge gesehen. Fragt sich, wo er vorher war – und wo er sich die letzten Monate verkrochen hat.«
Bella warf ein: »Damals hatte er Wolfies Mutter und Bruder noch dabei, aber von den beiden gibt's jetzt keine Spur mehr. Weiß vielleicht von euch einer, wo die geblieben sind? Der arme kleine Bursche ist ganz verzweifelt… er sagt, sie sind schon seit Wochen weg.«
Alle schwiegen.
»Da fragt man sich doch so einiges, hm?«, meinte Zadie.
Ivo traf eine unvermittelte Entscheidung. »Okay, wir gehen zu den Bussen. Ich hab überhaupt keinen Bock, hier zu malochen, solang ich nicht weiß, was eigentlich läuft. Wenn er glaubt –« Er brach ab und sah Bella an, als diese ihm warnend die Hand auf den Arm legte.
Ein Ästchen knackte.
»Wenn er
was
glaubt?« Fox trat hinter einem Baum hervor. »Dass du tust, was dir gesagt wird?« Er lächelte unangenehm. »Aber natürlich wirst du das tun, Ivo. Du hast gar nicht den Mumm, dich mit mir anzulegen.« Er warf einen vernichtenden Blick in die Runde. »Den hat keiner von euch.«
Ivo senkte den Kopf wie ein bis aufs Blut gereizter Stier. »Das wollen wir doch mal sehen, du Arschloch!«
Bella sah das Blitzen der Stahlklinge in Fox' Hand. O Gott!
»Jetzt essen wir erst mal, bevor einer hier austickt«, sagte sie, packte Ivo beim Arm und drehte ihn in Richtung zum Lager. »Ich bin hier, weil's mir um die Zukunft meiner Kinder geht – nicht um zwei Neandertalern beim Keulenschwingen zuzuschauen.«
15
Sie nahmen das Mittagessen in der Küche ein. Die beiden Männer richteten das Essen an – die Delikatessen, die Mark aus London mitgebracht hatte –, und Nancy wurde damit beauftragt, den Tisch zu decken. Aus irgendeinem Grund bestand James darauf, die »guten« Teller zu nehmen, und sie wurde ins Speisezimmer geschickt, um sie zu holen. Sie vermutete, es war ein Vorwand, um den Männern Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen zu geben oder sie auf subtile Art mit Fotografien von Ailsa, Elizabeth und Leo bekannt zu machen. Vielleicht traf beides zu.
Das Speisezimmer sah aus wie ein Abstellraum, voll ausrangierter Stühle und Kommoden. Es war klar, dass es seit langer Zeit nicht mehr benutzt worden war. Es war kalt, und überall lag Staub. Der Geruch nach Fäulnis, von dem Mark gesprochen hatte, hing in der Luft, aber Nancys Meinung nach kam er eher von Feuchtigkeit und ungelüfteten Räumen als von faulendem Holz. Der Anstrich über den Fußleisten warf Blasen, und der Mörtel darunter war weich. Dies war offensichtlich Ailsas Reich gewesen, und sie fragte sich, ob James diesen Raum ebenso mied wir ihren Garten.
An der einen Wand stand ein langer dunkler Mahagonitisch, mit Zeitungen abgedeckt und, an einem Ende, Stapeln von Kartons, die mit Aufschriften in großen schwarzen Blockbuchstaben gekennzeichnet waren, »TIERSCHUTZVEREIN« oder »BARNARDO«, oder »KINDERSCHUTZB.«. Das, vermutete Nancy, war Ailsas Ablagesystem gewesen. Stockflecken auf den Kartons ließen darauf schließen, dass das Interesse an ihrer wohltätigen Arbeit mit ihr gestorben war. Einige Kartons waren unbeschriftet und lagen auf die Seite gekippt. Die Hefter, die sie enthalten hatten, waren auf den Tisch herausgerutscht. Haushaltsrechnungen. Abrechnungen für Gartenarbeiten. Autoversicherung. Bankauszüge. Sparkonten. Der Kleinkram des täglichen Lebens.
Es waren keine Gemälde da, nur Fotografien, wenn auch die hellen Rechtecke um einige der Rahmen verrieten, dass dort einmal Gemälde gehangen hatten. Die Fotografien hingegen waren überall verstreut. An den Wänden, auf sämtlichen verfügbaren Abstellflächen, in einem Turm von Alben auf der Kredenz, auf der auch die Essteller standen. Nicht einmal wenn sie gewollt hätte, hätte Nancy sie übersehen können. Es waren größtenteils alte Fotos, historische Zeugnisse vergangener Generationen, aus Shensteads Hummerhandelszeiten, Landschaftsaufnahmen rund um das Herrenhaus und vom Tal,
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