Fuchsjagd
einem schwarzen Loch in deinem Gedächtnis. Vielleicht solltest du das Gespräch, das du angeblich gehört hast, noch mal vor deinem geistigen Auge ablaufen lassen und versuchen, dich an die Stellen zu erinnern, die du weggelassen hast – es ist doch verdammt komisch, dass der einzige Mensch, der dir glaubt, diese fürchterliche Bartlett ist!«
Im Hintergrund war eine Stimme zu hören. »Ich muss Schluss machen«, sagte er. »Lindys Eltern wollen fahren.« Er hielt kurz inne, und als er wieder sprach, war sein Ton endgültig. »Diese Geschichte musst du allein ausbaden, Mutter, vergiss also nicht, der Polizei und irgendwelchen Anwälten, die sich bei dir melden, mitzuteilen, dass wir mit der Sache nichts zu tun haben. Wir haben alle zu hart gearbeitet, um jetzt zuzusehen, wie der Betrieb den Bach runtergeht, weil du unfähig bist, den Mund zu halten. Dad hat hier bereits Vorsorge getroffen, indem er den Betrieb Lindy und mir übertragen hat. Morgen sichert er den Hof ab, damit der uns nicht für Schadenersatzzahlungen wegen Verleumdung draufgeht.« Damit legte er auf.
Prues erste Reaktion war körperlicher Natur. Ihr Mund trocknete mit einem Schlag so stark aus, dass sie nicht schlucken konnte. Frustriert legte sie den Hörer auf und ließ sich ein Glas Wasser einlaufen. Dann begann sie zu schimpfen, auf alle Welt, nur nicht auf sich selbst. Eleanor hatte es weit schlimmer getrieben als sie… Dick war ein Waschlappen, sich so verschrecken zu lassen… Belinda hatte bei Jack von Anfang an gegen sie gehetzt… Wenn jemand wusste, was James für ein Mensch war, dann Elizabeth… Und sie – Prue – hatte nichts Schlimmes getan, sondern lediglich die Partei dieser armen Person ergriffen… und indirekt auch Ailsas…
Auf jeden Fall wusste sie genau, was sie gehört hatte.
»…du denkst dir immer deine eigenen Geschichten aus… du erinnerst dich nur an die Dinge, an die du dich erinnern willst…«
Hatte Dick vielleicht doch Recht? Hatte Ailsa
über
James gesprochen und nicht
mit
ihm? Sie konnte sich jetzt nicht mehr daran erinnern, wie es wirklich gewesen war. Die Wahrheit war das, was sie sich auf der Heimfahrt vom Wäldchen zusammengereimt hatte, als sie die Lücken gefüllt hatte, um dem Gehörten einen Sinn zu geben. Und in dem Moment musste sie an den Polizisten denken, der damals genau das nahe gelegt hatte.
»Kein Mensch kann sich mit absoluter Genauigkeit erinnern, Mrs. Weldon«, hatte er zu ihr gesagt. »Sie müssen sich Ihrer Aussage sehr sicher sein, denn möglicherweise werden Sie sie vor Gericht beschwören müssen. Sind Sie so sicher?«
»Nein«, hatte sie geantwortet. »Nein, so sicher bin ich nicht.«
Aber Eleanor hatte sie vom Gegenteil überzeugt.
Fox wusste, dass es eine Akte geben musste – der Colonel nahm es sehr genau mit seiner Korrespondenz –, aber eine Durchsuchung der Aktenschränke an der Wand erbrachte nichts. Am Ende fand er sie durch Zufall. Sie lag ganz unten in einer der verstaubten Schreibtischschubladen und war in der rechten oberen Ecke mit dem Vermerk »Verschiedenes« gekennzeichnet. Er hätte sie gar nicht beachtet, hätte sie nicht weniger abgegriffen ausgesehen als alle anderen und darum vermuten lassen, dass sie Informationen neueren Datums enthielt als die Akten zur Familiengeschichte der Lockyer-Fox, die obenauf gestapelt waren. Mehr aus Neugier als aus dem sicheren Gespür heraus, gleich auf eine Goldader zu stoßen, schlug er den Hefter auf und fand James' Korrespondenz mit Nancy Smith und darunter Mark Ankertons Berichte darüber, wie weit er mit seinen Bemühungen, sie aufzustöbern, jeweils gekommen war. Er nahm die ganze Akte an sich, weil es keinen Grund gab, es nicht zu tun. Nichts würde den Colonel schneller vernichten als die Erkenntnis, dass sein Geheimnis keines mehr war.
Nancy klopfte leicht an den Bus, bevor sie die Stufen zur offenen Tür hinaufstieg. »Hallo«, sagte sie freundlich, »haben Sie etwas dagegen, wenn wir reinkommen?«
Neun Erwachsene gruppierten sich um einen Tisch auf derselben Seite wie die Tür. Sie saßen auf einer hufeisenförmigen gepolsterten Bank mit violettem Kunststoffbezug, drei mit dem Rücken zu Nancy, drei mit dem Gesicht zu ihr und drei vor dem nicht abgedunkelten Fenster. Auf der anderen Seite des schmalen Gangs waren ein Ofen älteren Jahrgangs mit einer Gasflasche daneben und eine Küchenzeile mit Spülbecken. Überall hingen von Gardinenstangen lange Vorhänge in grellem Pink und Lila zum Boden herab, die
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