Fuego, Andréa de
hereinkam.
»Das Wasser ist eingetrocknet«, sagte Nico und beugte sich hinaus.
»Trotz des feuchten Geruchs? Es hat doch in den letzten Tagen geregnet.«
»Antônio, das Wasser ist weg!«
Antônio ließ den Kaffeefilter stehen und stieg auf die Bank am Fenster. Sie standen mit dem Rücken zu Anésia, die lachte über das, was wie ein Witz klang, die beiden völlig starr, den Blick nach vorn gerichtet.
»Die Stromfirma hat das ganze Wasser aufgebraucht.«
»Antônio, da unten ist nichts, wo ist unser Wasser hin?«
»Bestimmt behandeln es die Stromleute gerade und bringen es gleich wieder zurück.«
»Beim Einschlafen war das Wasser noch da, und jetzt, nach dem Aufwachen, ist alles wie früher.«
Geraldina reagierte nicht, und Maria blickte auf die Trockenheit, als würde sie aufs Maisfeld blicken.
»Ah! Es ist tatsächlich weg.«
Nico war stumm, Antônio überlegte.
»Unser Wasser kommt vom Wasserfall, uns kann es egal sein.«
Im Schlamm lagen Fische, manche im Todeskampf. Sie glänzten, die Schuppen im direkten Sonnenlicht, hunderte von Glitzerplättchen auf dem Boden. Das kleine Haus oben auf der Serra Morena, nahe der Felsen, erfuhr keine Veränderung, erlitt keinen Schaden durch die neue Situation. Ein Geräusch an der Pforte, das Trappeln von Hufen, Timóteo.
»Nico, lass uns Eneido suchen, er weiß bestimmt, wo das Wasser abgeblieben ist.«
»Ich kann nicht, ich muss Júlia suchen.«
»Erst musst du sehen, was aus uns wird«, sagte Timóteo.
Nico folgte Timóteo auf die andere Seite des Tals. Die Pferde waren ängstlich, vor ihnen die wuschelige Hündin, schwanzwedelnd. Die Höhle unverändert, Eneido unverändert. Er saß auf dem Boden und starrte vor sich hin.
»Wohnst du hier, seit es dort drüben Strom gibt?«
»Ja.«
Timóteo stand am Rand der Höhle, am Abgrund. Eneido bemerkte, dass Nico die Höhlendecke begutachtete, die Kürbisschalen in der Küche, den Pott mit den getrockneten Seepferdchen.
»Was sind das für Tierchen?«
»Seepferdchen, getrocknet werden sie kleiner.«
»Schrumpfen sie?«
»Ja, sie können schrumpfen. Geh mal zu Timóteo.«
Nico trat zu Timóteo, der sich umwandte und ihn mit dem Finger bat, still zu sein. Nico ging weiter bis an den Rand des Abgrunds. Alles war mit Meer bedeckt, in der Ferne das ankernde Schiff, kleine Wellen schlugen gegen die Felsen unterhalb der Höhle.
»Ist das das Meer?«
Eneido nickte und warf getrocknete Seepferdchen in einen Manioksud. Er gab ihn der Hündin.
»Ja, das ist das Meer, es macht Geräusche, wegen des Winds, der darunter durchströmt. Im Fluss gibt es die Strömung, im Meer eine Art Zeitzählung, jede Welle eine Minute.«
Nico bückte sich.
»Kam das Wasser aus dem Staudamm, Eneido?«
»Es kam nicht von dort, es ist zurückgeflossen. Dort hat es nie hingehört.«
»Und das da vorn?«
»Das Schiff? Sie sind fast abfahrbereit, sie wollen hinaus aufs offene Meer.«
»Das Meer öffnet sich?«
»Für den, der an Bord ist, ja.«
In der Serra Morena hatten Maria und Antônio gerade Huhn mit Okraschoten gekocht, das schleimige Gemüse schmiert die Gelenke, die Zunge. Unter ihnen die Fische, die nicht mehr mit dem Glanz spielten. Die Sonne senkte sich langsam auf die Gebirgsspitze herab, man brauchte sie nur zu greifen und hinter ihr hinabrutschen, wie die Zähne auf der Okraschote.
»Die kommen bald wieder, sie überlassen doch die Fazenda nicht den Mädels.«
»Jetzt sind sie erst mal hinter diesem Eneido her, das war doch noch nie ordentlich, dass der wie ein Tier in diesen Wäldern gehaust hat.«
Sie brachten Anésia und Onofre in ihre Bettchen. Anschließend gingen sie in die Küche, legten Eisendeckel über die Herdplatten.
»Ich mache die Öllampe an«, sagte Maria.
Als sie ihre Arme ausstreckte, um an die Fensterläden zu kommen, sah sie die kleine Stadt im Dunkeln daliegen. Ohne das Wasser hatte die Stadt kein Licht. Maria zündete die Öllampe nicht mehr an.
»Wir gehen jetzt schlafen, morgen sehen wir weiter.«
62. Kapitel
JÚLIA ERLITT EINE Blutung, und als Messias sie ins Krankenhaus brachte, wurde ihr mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Das Kind war von Messias, er erfuhr es über die Krankenschwester. Ludéria verbarg ihre Verblüffung nicht, sagte aber im Beisein ihres Arbeitgebers kein Wort. Júlia schlief den Schlaf der Pyramidenbauer und wachte auf, als Messias ihre Hand streichelte.
»Wo ist Ludéria?«
»Sie ist im Laden geblieben … es gibt Kundschaft …«
Júlia drückte seine Hand.
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