Führe mich nicht in Versuchung
Hochzeitstag ... der wichtigste Tag ihres Lebens.
Als sie vor dem Spiegel in ihrem Zimmer stand und wieder einmal das Gezerre und Gekneife von ihrer Tante und Clancy über sich ergehen lassen musste, schwor sie sich, dass dies ihr letzter großer Auftritt sein würde.
Heute wäre endlich alles vorbei und Max würde ihr gehören. Wenn sie erst einmal verheiratet und miteinander allein waren, sagte sie sich, könnte sie Max sicherlich davon überzeugen, dass sie zusammengehörten, und dass sie ihn glücklich machen würde.
Die letzten sechs Wochen waren schrecklich gewesen. Sie hatte sich große Mühe gegeben, ein gutes Gleichgewicht zwischen strahlendem Blick und stolzer Würde zu präsentieren, wie Max es von ihr gefordert hatte, um ihm keinen weiteren Grund zu geben, sich über sie zu mokieren und sie zu tadeln. Er wiederum hatte sich ihr gegenüber mit distanzierter Höflichkeit verhalten, während er sie auf ihrer Runde der Hauskonzerte, Abendgesellschaften und Theaterbesuche begleitete. Und obwohl er den Eindruck vermittelt hatte, als sei er ihr treu ergeben, und obwohl auch Damien keinen Moment von ihrer Seite gewichen war, hatte sie sich noch niemals zuvor in ihrem Leben so einsam gefühlt.
Aber heute würde sich alles ändern. Als Schwager mussten Max und Damien miteinander auskommen. Und wenn er erst einmal ihr Ehemann war, konnte Max sie nicht auf Dauer einfach ignorieren. Alles würde wie früher werden.
Sie wären wieder eine Familie.
»Fertig«, sagte LadyLou und riss Jillian aus ihren Gedanken. »Sie können jetzt gehen, Clancy.« Sie trat zurück und strich ihren Rock glatt. »Ich finde, eine Königin könnte nicht großartiger aussehen, Jillie.«
Jillian nickte und studierte verbittert ihr Spiegelbild. Ihr Brautkleid war in mittelalterlichem Stil gearbeitet. Über einem elfenbeinfarbenen Satinunterkleid trug sie eine ärmellose Spitzentunika, die in einer prahlerischen Schleppe von ihren Schultern herabfiel. Das Gewicht der Zuchtperlen und Kristalle, die in das Spitzenmuster eingearbeitet waren, zog sie regelrecht nach unten. Oh ja, sie sah großartig aus.
Aber sie fühlte sich abscheulich.
Ihr Kopf schmerzte, weil ihr Haar an den Seiten straff nach hinten gekämmt und zu einem Zopf geflochten war, den Perlen und orangefarbene Blüten schmückten. Sie hatte sich strikt geweigert einen Schleier zu fragen, da sie es nicht einsehen wollte, eine Frisur zu verdecken, die eine halbe Nacht in Anspruch genommen hatte, um fertiggestellt zu werden. Zumindest hing der größte Teil ihres Haares frei über den Rücken hinab. Es war wieder in diese weichen Locken gelegt, die Max damals, als er ihr den Verlobungsring brachte, nicht bemerkt hatte. Die Perlen-und Diamantohrringe ihrer Mutter zwickten in den Ohrläppchen, und die passende Halskette drohte sie zu ersticken. Zu allem Unglück war ihre Regel auch noch zwei Wochen zu früh gekommen.
Gott sei Dank hatte sie den Kampf um eine kleine Hochzeit in der Kapelle von Westbrook Court gewonnen. Max war nicht begeistert gewesen, aber aufgrund der kleinen und ausgesuchten Gästeliste konnte er sich über das Ergebnis ihres Sieges nicht beklagen, denn unter den reichsten und respektabelsten Mitgliedern der Gesellschaft war eine Einladung zu ihrer Hochzeit kostbarer als Gold.
Wenn es nach ihr ginge, konnten sie sich alle zum Teufel scheren.
»Nun runzle doch nicht so die Stirn, Jillie«, mahnte LadyLou, deren Stimme von weither zu kommen schien. »Bald ist alles vorbei, und du wirst wieder glücklich sein.«
Jillian nickte und schüttelte all die verwirrenden Gedanken, die sie in den letzten Wochen geplagt hatten, ab. Ach weiß. Es ist Damien, um den ich mich sorge.«
»Damien trauert. Er glaubt, dass er seine Schwester und seinen besten Freund verloren hat. Eines Tages wird er feststellen, dass das nicht der Fall ist.«
Diese tröstenden Worte stimmten Jillian zuversichtlich. Damien würde es bald besser gehen und ihr ebenso. »Und was ist mit Max?« fragte sie. »Diese ganze Angelegenheit hat ihn so eigenbrödlerisch und distanziert gemacht. Er ist gar nicht mehr er selbst.«
»Aber natürlich ist er das, Jillie«, erwiderte ihre Tante, während sie den kleinen Strauß aus Orangenblüten zurechtzupfte, den Jillian tragen würde. »Max war immer schon zurückhaltend und nachdenklich. Nur wenn er mit dir und Damien zusammen war, hat er sich gehen lassen.«
»Aber das ist es doch gerade, LadyLou. Sein Verhalten ist noch undurchdringlicher geworden, selbst
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