Führe mich nicht in Versuchung
und Weise an, wie sie ihn in letzter Zeit so oft angesehen hatte.
Bei dem Gedanken schlug ihr das Herz bis zum Halse. Ob ihr Plan funktionierte? Hatte die Aufmerksamkeit, die, ihr die anderen Männer entgegenbrachten, Max dazu gezwungen, sie in einem neuen Licht zu sehen?
Max schlug die Zeitung schnell zu und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, als habe er genug gesehen.
Jillian fing sich wieder, fuhr sich einmal mit der Hand durchs Haar und betrat das Zimmer. Warum nur hatte sie es nicht hochgesteckt, sondern trug es in einem lockeren Zopf, der ihr den Rücken hinunterging? Und hätte sie doch nur ein anderes Kleid gewählt! Alles, nur kein einfaches, blaues Baumwollkleid.
»Wie ich sehe, hast du das Hauskonzert der Morelands gestern abend überlebt«, sagte er mit einer eigenartigen Schärfe in der Stimme.
»Auch dir einen wunderschönen >Guten Morgen<, Max«, sagte sie und ging zum Büfett hinüber. Nachdem sie sich eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, nahm sie auf dem Stuhl gegenüber von Max Platz. »Du bist ja früh unterwegs. Hast du mit Damien irgendwelche Pläne für heute?«
»Nein. Es ist nicht ungewöhnlich für mich, zum Frühstück hier zu sein«, erwiderte er ruhig und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Zeitung zu.
»Das habe ich ja auch gar nicht gesagt«, entgegnete sie ebenso ruhig.
»Was hast du denn dann sagen wollen?« erkundigte sie sich.
»Lediglich, dass du um diese Zeit normalerweise im Bett bist.«
»Und woher willst du das wissen?«
»Weil ich jahrelang Zeit hatte, deine Gewohnheiten zu beobachten«, antwortete sie mit einem ungeduldigen Seufzer.
Maxens Mund verzog sich zu einer schmalen Linie, und er blickte sie an, als habe sie auf irgendeine Weise seine Privatsphäre verletzt. Er hatte wohl vergessen, wie sie immer in sein Zimmer geschlichen war und ihn beim Schlafen beobachtet hatte. Irgendwann hatte LadyLou sie einmal dabei erwischt, und damit war die Sache ein für allemal vorbei gewesen.
»Na schön, Max. Damien hat es mir gesagt«, fügte sie hinzu, entschlossen, dieser verrückten Unterhaltung ein Ende zu bereiten. Man könnte wirklich annehmen, dass Max versuchte, einen Streit mit ihr vom Zaun zu brechen.
»Was hat dir Damien gesagt?« erkundigte sich ihr Bruder, der mit gesenktem Kopf in den Raum spaziert kam und ein Schreiben in den Händen hielt.
Zur Abwechslung einmal war Jillian erleichtert, dass sie nicht mit Max allein war, und sie begrüßte Damien mit einem strahlenden Lächeln. »Dass Max ungenießbar ist, wenn er spät ins Bett geht und zu früh aufsteht.«
» Was kein vernünftiger Mensch vor dem Mittag tun sollte«, stimmte Damien zu und setzte sich neben Jillian. Er griff nach ihrer Kaffeetasse und trank einen Schluck daraus. »Der Sturm gestern nacht hat das Dach des Ostflügels von Westbrook Court beschädigt«, sagte er. »Stokes nimmt an, dass alles neu gedeckt werden muss. Ich werde nicht umhin können, nach Westbrook zu fahren.« Er blickte zu Max hinüber. »Würdest du dich um Jillian kümmern, während ich fort bin?«
Jillian wollte zuerst beleidigt reagieren, weil er offenbar glaubte, dass sie ein Kindermädchen benötigte, aber dann erfüllte sie ein Gefühl der Vorfreude. Ihr gefiel die Idee, dass sich Max um sie kümmern sollte. Oder zumindest würde ihr die Idee gefallen, wenn er sich endlich entschließen könnte, ob er der Landmensch oder der Stadtmensch Max sein wollte. Sie lächelte ob ihrer Klugheit, die sie zu der Entdeckung geführt hatte, warum Maxens Verhaltensweise sich so drastisch geändert hatte. Hatte er es nicht mehr als einmal deutlich gemacht, dass er mit der Londoner Gesellschaft nichts anzufangen wußte?
»Soll ich nicht besser an deiner Stelle fahren?« fragte Max. »Wenn der Sturm Schäden in Westbrook hinterlassen hat, dann ist Bassett House sicherlich auch nicht ungeschoren davongekommen. So könnte ich, wie heißt es doch so schön, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
Jillian verspürte ein seltsames Gefühl der Zurückweisung. Sie konnte verstehen, dass Damien das Bedürfnis hatte, in Westbrook nach dem Rechten zu sehen, aber es war kein Geheimnis, dass Max sich wenig um Bassett House scherte und seinen Butler, Burleigh, ermächtigt hatte, sich um alle eventuell anfallenden Probleme zu kümmern. Obwohl das Haus nur eine Reitstunde von Westbrook entfernt lag, hielt sich Max niemals dort auf, wenn er es eben vermeiden konnte. Jillian verstand, warum dies so war. Nachdem sie einige Male mit Damien
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