Fuehrungs-Spiel
Die Australier waren das Opfer: Als wir kurz vor der Halbzeit den Ausgleich zum 1 : 1 schossen, waren sie eigentlich schon geschlagen, wir gewannen anschließend 2 : 1.
Mit dem ersten Titelgewinn begann die schwierigste Zeit. Die anderen Mannschaften stellten sich taktisch auf unser Spiel ein und es wurde immer schwieriger, unseren Vorsprung zu halten. Bernhard hatte zum Beispiel als Erster die Torhüter mit Ballmaschinen, die für den Baseball s port konzipiert waren, beschossen, um ihre Reflexe zu trainieren. Wir hatten – subjektiv gesehen – die beiden weltbesten Torhüter. Nun stan den Ballmaschinen auch auf dem Trainingsplatz der Holländer.
Bei der Europameisterschaft 2003 in Barcelona schien unser Vorsprung schon weggeschmolzen zu sein. Die anderen hatten offensichtlich aufgeholt. Mit unserem sogenannten konstruktiven Aufbauspiel hatten wir die Gegner bisher immer kontrolliert. Nun plötzlich setzte uns Spanien, als Antwort auf unsere Taktik, jetzt schon in unserem eigenen Viertel unter Druck, sodass wir den Ball oft nur in die gegnerische Hälfte schlenzen konnten. Aus konstruktiv war destruktiv geworden. Auch auf unsere fast schon perfektionierte Pressing-Taktik hatten sich die meisten Gegner inzwischen eingestellt. Mit Mühe und viel Glück retteten wir uns im Finale ins Siebenmeterschießen. Da allerdings präsentierte Bernhard ge rade noch rechtzeitig die nächste Innovation, die uns den Titel sicherte.
Unser Torwart Nummer eins, Clemens Arnold, machte im Finale das beste Spiel seines Lebens, hielt mehrere Strafecken gegen Ende des Spiels und dadurch das Unentschieden fest – und wurde dann ausgewechselt. Für das Siebenmeterschießen stand plötzlich der Zweimetermann Christian Schulte, die Nummer zwei, im Tor. Im Training hatte »Schüti« fast jeden zweiten Siebenmeter gehalten. Er war unsere Waffe. So einen Wechsel hatte es noch nie gegeben. Man stelle sich vor, Jürgen Klinsmann hätte im Viertelfinale der Fußball-WM vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien plötzlich Oliver Kahn ins Tor gestellt.
Die Spanier hatten einen kleinen Keeper erwartet, da stand jetzt aber ein Riese im Tor und hielt drei Siebenmeter. Der auf die Ersatzbank beorderte Clemens Arnold war trotz seiner hinderlichen Torwartausrüstung als Erster nach dem letzten gehaltenen Siebenmeter bei »Schüti« und überrannte ihn vor lauter Glück. Bernhards Plan war wieder aufgegangen.
Es war klar, dass wir dann auch in Athen bei den Olympischen Spielen 2004 Gold holen wollten. Allerdings spielte die Mannschaft nicht so gut wie in den Jahren zuvor. Warum, das weiß bis heute – ehrlich gesagt – keiner so genau. Wir hatten die Trainingsvorgaben erfüllt, ließen uns vom Olympia-Drumherum nicht irritieren und hielten uns an die Ernährungspläne. Mit der Niederlage im Halbfinale gegen Holland hatte keiner gerechnet. Wir versammelten uns nach dem Spiel in der Kabine, es war schaurig. Eine große Enttäuschung. Und auch Bernhard wirkte etwas ratlos. Selbst der Gewinn von Bronze, für alle die erste olympische Medaille, war nur ein schwacher Trost. Jetzt sollte sich einiges ändern. Aus dieser Niederlage, auch noch gegen den großen Rivalen (es gab für ihn nichts Schöneres, als Holland zu schlagen), lernte Bernhard wohl am meisten.
Sein Innovationsmotor lief 2005 wieder auf Hochtouren. Neue Gesichter im Betreuerstab, neue Spieler, neue wissenschaftliche Methoden, neue Taktik-Varianten, noch mehr Demokratie und auch ein neuer Bernhard. Eine herbe Niederlage hatte dieser jetzt also auch hinter sich und den schwer erträglichen Ruf der Unbesiegbarkeit abgelegt. Die Enttäuschung von Athen hatte ihn erst wirklich locker gemacht.
Einige erfahrene Spieler hörten nach Olympia aus beruflichen Gründen auf. Zu dieser Zeit wurde mein Verhältnis zu Bernhard noch enger. Immer wieder kamen aufmunternde und fordernde SMS: »Wir müssen jetzt im Winter richtig Gas geben. Ich verlasse mich auf Dich.« Oder: »Wer soll im Sommer bei der EM in Leipzig auf dem Treppchen ganz oben stehen?« Die identische Nachricht schickte Peters – kleiner Einsatz, große Wirkung – einfach an alle Spieler. Hast du auch die Motivations-Nachricht bekommen? Eine kurze Quer-SMS zu einem Mitspieler bestätigte: Ja, alle hatten sie bekommen. Ein dezenter Hinweis an den Cheftrainer bei einem der fol genden Lehrgänge beendete das Massenphänomen. Aber dann gab es auf einmal noch diese SMS: »Wir können auf alle verzichten, nur auf einen nicht.« Die zeigte
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