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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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Lumpur waren die Spieler und ich am Ziel unserer Träume. Schon dort hatten wir ausgiebig gefeiert, zu Hause waren wir triumphal empfangen worden. Die Medien rissen sich mehr denn je um meine Jungs. Und die genossen es, traten bei Stefan Raab auf, ließen sich in ihren Heimatorten feiern und in den Heimatvereinen bewundern und verehren, manche bekamen Angebote für lukrative Werbegeschichten. Als Hockeynationalspieler waren sie abgereist, als Stars waren sie wiedergekommen. Da bekamen sie Post von mir.
    Pfingsten, das war jedes Jahr die Zeit für viertägige Zusammenkünfte, die die Spieler angesichts des übersichtlichen Vergnügungsfaktors als »Schweinelehrgänge« bezeichneten: Klar hatten wir auch Spaß, aber im Vordergrund stand bei diesen Lehrgängen harte, vor allem harte körperliche Arbeit. Die Lehrgänge waren deshalb nicht wirklich beliebt, aber alle wussten, dass sie notwendig waren. Sie ahnten vermutlich schon, als sie den Brief von mir öffneten, dass ihnen auch als Weltmeister wieder ein »Schweinelehrgang« blühen würde. Was sie nicht ahnten, war, dass ich sie dieses Mal an einen Ort bitten würde, der für sie am Ende der Welt lag, weiter weg als Sydney, Karachi oder Kuala Lumpur.
    Gerade zu den »Schweinelehrgängen« hatte ich mich bisher immer bemüht, die Jungs in einigermaßen komfortabler Umgebung einzuquartieren, das verbesserte nach den Schindereien am Tage abends die Stimmung. Doch nach der ganzen Feierei und dem Stargehabe wusste ich, dass ich etwas verändern musste, um die Aufmerksamkeit schnell wieder auf 100 Prozent zu bekommen, damit wir uns voll auf die nächste große Aufgabe, die Olympischen Spiele 2004, fokussieren würden.
    Wir trafen uns in Köthen, das liegt in Sachsen-Anhalt. Ich mochte diesen alten DDR-Charme, er spricht mich total an, kein Witz. Die Atmosphäre, die dort herrschte, strahlt eine große Ruhe aus, die man in den alten Bundesländern kaum noch antrifft: ideal zum Runterkommen – und zum konzentrierten Arbeiten. Außerdem war ich der Meinung, dass gerade meine Jungs, die fast alle aus bürgerlichen (ehemals westdeutschen) Verhältnissen kamen, kein luxuriöses, aber doch ein gut ausgestattetes Leben führten und die als Sportler jetzt nach dem WM-Sieg mehr denn je umsorgt und gepflegt wurden, dass sie, dass wir zusammen mal sehen sollten, wie es im Land des Weltmeisters auch aussehen kann.
    In unserem Hotel, Modell altes FDJ-Heim, roch es damals jedenfalls irgendwie miefig, die Betten, die Duschen, die Möbel, alles noch alter Standard, gerade fürs Nötigste rausgeputzt – aber sehr liebevoll, die Leute hatten sich riesig Mühe gegeben, um es uns so angenehm wie möglich zu machen. Es fehlte an nichts. Unseren Trainingsplatz pflegten drei Rentner, sehr zu Diensten, die uns drei-, viermal am Tag erklärten, wo sie was hingelegt und wie oft sie den Kunstrasen bewässert hatten. Und natürlich seien sie immer sofort da, wenn wir sie brauchten. Am Ortseingang hing ein Schild »Köthen grüßt die Weltmeister«, es gab genau einen Journalisten der örtlichen Presse, der unser Training verfolgte, kein Raab oder Sportstudio , keine wichtigen Interviews in der FAZ . Dafür ein Empfang beim Bürgermeister in Köthen. Beste Bedingungen also. Die Jungs waren auf hundertachtzig.
    »Warum schleifst du uns hier ans Ende der Welt?«, war noch einer der höflicheren Kommentare. »Weil wir hier in Ruhe trainieren können«, war meine Antwort. Und weil wir Veränderung brauchen – hätte ich hinzufügen können, »weil es wichtig ist, gerade, wenn man erfolgreich ist, etwas zu verändern«. Zu Pfingsten, kurz vor den Olympischen Spielen waren wir dann übrigens erneut in Köthen. Es hatte sich nichts verändert.
    Erfolg fordert den nächsten Schritt
    »Weiter so!« – »Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg!« Was gibt es nicht alles für sprichwörtlich gute Ratschläge, wenn man gewonnen, das angestrebte Ziel erreicht hat. Da diese Ratschläge in der Regel von Menschen kommen, überrascht nicht, dass sie auf menschlichen, allzu menschlichen Erfahrungen beruhen. Erfahrungen wie die Sehnsucht nach Ruhe, wie der wunderbare Zustand der (Selbst-)Zufriedenheit, wie der stolze Genuss, ganz oben angekommen zu sein.
    Wer könnte solche Gefühle kritisieren? Niemand kann und will das, auch ich nicht, aber meine Erfahrung als Trainer zwang mich, mich mit diesem Phänomen allgemeiner Sattheit und Genügsamkeit energisch zu beschäftigen und es, so hart es klingen mag, als

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