Fuehrungs-Spiel
beide keine gemeinsamen sportlichen Ziele mehr haben, fragt Jamie mich noch oft um Rat.
Verantwortung weist den Weg
Ich habe die Geschichte von Jamie Mülders erzählt, um aufzuzeigen, was » b egleiten« als Führungsform bedeutet, welch überaus große Wirkung das über den Sport hinausgehende Engagement eines Trainers auf die Leistung eines Spielers haben kann. Ich habe diese Geschichte nicht erzählt, um den Eindruck zu erwecken, dass zu der ohnehin emotional aufwendigen Führungsarbeit notwendigerweise auch intensive Zuwendung bei persönlichen Problemen gehört. Eine Situation wie jene mit Mülders hatte ich so intensiv in meiner ganzen Laufbahn kein zweites Mal.
»Begleiten« ist für mich eine ganz zentrale, ganz und gar nicht zufällige Form der emotionalen Führung. »Begleiten« lässt sich daher keinesfalls auf die persönliche Umfeldbetreuung reduzieren. Das Begleiten der Spieler ging einher mit der Übernahme von Verantwortung für sie auch jenseits des Sports. Dies hatte, neben der zwischenmenschlichen, vor allem immer auch eine dezidiert ziel- und leistungsfördernde Komponente – und war damit Teil meines ganzheitlichen Führungsansatzes. Da sich diese »Methode« im Lauf meiner Trainerlaufbahn auf ganz unterschiedliche Weise aber immer wieder bewährt hat, konnte ich daraus für mich eine Theorie herleiten. Diese Theorie gründet auf drei ganz grundsätzlichen Annahmen.
Erstens: Nur wer die Menschen, für die er als Führungsfigur verantwortlich ist, als Gesamtpersönlichkeiten wahr- und ernst nimmt, wird sie zu maximaler Leistung motivieren können. Die letzten zehn Prozent Engagement, die über das normale Maß hinausgehende Leistungsbereitschaft, auf die es im entscheidenden Moment ankommt, liefert das Herz.
Zweitens: Die Betätigungen der Spieler jenseits des Sports, die Ausbildung, der Beruf, die Partnerschaft, auch Hobbys, all dies sollte ein Trainer nicht nur tolerieren, er sollte vielmehr jede Tätigkeit und Beschäftigung aktiv unterstützen und begleiten, die der Horizonterweiterung und damit der geistigen Flexibilität seiner Spieler dient. Daraus ergibt sich:
Drittens: Ein Spieler, der sich neben seinem (Leistungs-) Sport noch an anderer Stelle im Leben engagiert und exponiert, wird unter extremer Belastung auf dem Spielfeld die richtigen Entscheidungen fällen, aufkommendem Druck besser standhalten und sich auch auf überraschende Situationen flexibler einstellen.
Die Mehrdimensionalität eines Lebensentwurfes schlägt sich folglich ganz unmittelbar auf dem Spielfeld nieder. Ein kluger Trainer wird also entsprechende Wünsche seiner Spieler nach geistiger oder auch sozialer Betätigung nicht mit dem Verweis auf seine Ansprüche im sportlichen Bereich abzuwenden versuchen – er wird sie stattdessen fördern und sich bemühen, das außersportliche Engagement des Menschen mit seinen Anforderungen an die Leistung des Spielers in Einklang zu bringen. So habe ich es immer gehalten – und für mich das System einer »dualen Laufbahnplanung« entwickelt.
Die Schnittmenge zwischen der Ausbildung im Sport und jener im Studium oder im Beruf ist dabei ganz offensichtlich: Verantwortung, Disziplin, soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Solidarität und Flexibilität sind die Schlüsseltugenden in allen leistungsorientierten Lebensbereichen. Wer diese Tugenden in den jeweiligen Bereichen seines Lebens – auf durchaus unterschiedliche Weise – ausbildet, wird davon auf allen Ebenen profitieren: Das Ganze wird größer als die Summe der Teile. Das »Niveau« der Tätigkeit spielt dabei im Übrigen gar keine Rolle: Eine Schreinerlehre kann eine solche Entwicklung ebenso befördern wie ein Medizinstudium, ein freiwilliges soziales Jahr, ein Sprachkurs ebenso wie die Ausbildung auf einem Eliteinternat.
Der Umgang mit Druck ist dabei vielleicht das unmittelbar einleuchtendste Beispiel. Wer sich in seiner Lebenswelt außerhalb des Sports fordert, eigene, ambitionierte Ziele verfolgt, der wird sich mit »eindimensionalem« Stress auf dem Spielfeld leichter tun. Auch mit Konkurrenzsituationen werden Spieler, die eine exponierte Identität außerhalb des Sports haben, leichter umgehen. Eine andere, offensichtlich leistungsfördernde Folge des »dualen Laufbahnprinzips« liegt im Bereich der Flexibilität: Wer gezwungen ist, auch außerhalb des Spielfelds Entscheidungen zu treffen, wer in seinem Kopf – mindestens – zwei verschiedene Lebens- und Entscheidungsbereiche koordinieren muss, der ist
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