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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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Führungspersönlichkeit auf keinen Fall beleidigt oder offen enttäuscht reagieren. Begleiten ist keine Holschuld der Angesprochenen, sondern eine Bringschuld der Führungskraft. Wird das Angebot nicht angenommen, sollte man einen zweiten Versuch wagen. Gibt es wiederum keine Resonanz, verstehe ich das als ein Signal, dass der Lebensentwurf ein anderer ist und man ihn oder sie in dieser Form nicht erreicht. Das ist einerseits eine wichtige Information, andererseits aber auch eine Entscheidung. Begleitung sollte man nicht aufdrängen.

Differenzieren: Individuell statt gleich
    Ein Beispiel aus der Praxis
    Scharowski. Justus Scharowsk y . Das erste Mal nominierte ich ihn, den damals 22-Jährigen, nach seiner Juniorenzeit für das Mittelfeld im Jahr 2003. Er war nicht der Überspieler. Begabt, okay, aber kein Genie am Ball, kein Konditionswunder, keiner, der seine Gegner niederrannte oder geniale Spielzüge einleitete. Er war auch kein Torjäger. Was war er eigentlich? Worin bestand sein Wert für das Team? Warum nominierte ich ihn, wenn er nicht verletzt war, seit diesem ersten Mal fast immer, wenn ich meinen Kader zusammenstellte? Warum? Dies ist keine rhetorische Frage, sondern eine, die mir von vielen Menschen in meinem Umfeld, meinen Trainerkollegen, aber auch von Scharowsk y s Mannschaftskollegen immer wieder gestellt wurde. Deshalb kann ich an der Person Justus Scharowsk y am besten erklären, was ich – in der Praxis – unter dem Prinzip des »Differenzierens« verstand.
    Ich bin ein sehr pünktlicher Mensch. Manche Leute in meiner Umgebung sagen, ich sei geradezu »preußisch«, wenn es um das Einhalten von Terminen geht. Unser Teammanager und mein Freund Dieter Sch ue rmann wagt sogar die These, dass ich Personen, die knapper als fünf Minuten vor dem verabredeten Termin eintrafen, bereits strafend angesehen hätte. Das kann ich leider nicht zurückweisen. Justus Scharowsk y kam nie pünktlich, niemals. Wir hatten uns für Zuspätkommer ein Strichesystem ausgedacht. Pro Minute ein Strich, pro Strich ein Euro in die Mannschaftskasse. Bei einem Fünf -Tage-Lehrgang kassierten wir von Scharowsk y meistens mindestens 70 Euro. Normalerweise hätte ich ihn, da diese Art der Bestrafung bei ihm offensichtlich zu keinerlei Lerneffekt führte, nach wenigen Lehrgängen wegen Disziplin losigkeit feuern müssen – schon allein aus Gründen der Glaub würdigkeit.
    Ich tat es nicht. Ich mochte diesen Scharowsk y . Und ich gestattete mir, dass ich dieses Gefühl mit zum Maßstab meiner Entscheidung machte. Er war ein Exot, er war anders als die anderen. Er brachte schon mal 100 sogenannte Wasserbomben, also Luftballons, die man mit Wasser füllen und dann als Wurfgeschosse gebrauchen konnte, mit ins Dorf bei den Olympischen Spielen in Athen – um zur großen Gaudi aller dann eine Wasserschlacht gegen das dänische Damenhandballteam anzuzetteln. Er ließ schon mal alle seine Papiere im Flieger in Johannesburg liegen, woraufhin er den Anschlussflug nach Paris verpasste. Er schlief vor seinem Flug nach Genf nach einem harten Lehrgang um 9.30 Uhr morgens direkt auf einer Bank vor dem Abfluggate ein, verpasste den Flug, wachte nachmittags um 16.30 Uhr wieder auf und bezirzte dann die Leute von der Fluglinie, ihn abends doch noch nach Genf mitzunehmen.
    Kurz vor einer Abreise nach einem Turnier in Santiago (Chile) nahm er sich ein Taxi, um in ein kleines »Eingeborenen-Dorf« zu fahren und dort eine dieser Mützen zu erstehen, die auch in Deutschland südamerikanische Straßenmusikanten tragen. Endlich zurück im Hotel stellte er fest, dass er sein Portemonnaie mitsamt allen Papieren bei den Dorfbewohnern liegen gelassen hatte. Und ab ging es, wieder ins Taxi, eine Stunde pro Strecke. Das Portemonnaie war tatsächlich noch da und Scharowsk y dann auch irgendwann wieder zurück. Das ganze Team kochte vor Wut, weil alle warten mussten. Einmal erschien er ohne jede Ausrüstung zu einem Lehrgang in Leipzig, weil er am Sonntagabend in Hamburg noch feiern wollte und dort alles vergaß. Ohne, dass ich es bemerkte, musste er sich von Schuhen, Schienbeinschonern bis zum Schläger alles von den Mitspielern leihen, wie er mir einige Jahre später gestand.
    Scharowsk y blieb allein schon deshalb eher Außenseiter, weil er nie mit der Mannschaft, sondern immer alleine zu Lehrgängen, Länderspielen oder großen Turnieren anreiste.
    Aber Scharowsk y war auf seine Weise auch genial. Er studierte, neben dem Hockeysport, internationale

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