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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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»fünf gerade sein« lassen konnte. Ich wollte erfolgreich sein durch Planung und Emotion.
    Dies war ein schwieriger Prozess. Es gab immer wieder Phasen, in denen ich merkte, dass Ungeduld oder Aggressivität aus mir herausbrachen und mein Bestreben, auch die emotionalen Aspekte, die »weichen Faktoren« zu berücksichtigen, überlagerten. Gerade beim Umgang mit den Spielern nach Fehlern bei der Trainingsarbeit oder nach schwachen Spielen erkannte ich oft erst im Nachhinein, dass ich mit meiner Kritik überzogen hatte. Immer wieder habe ich alle erinnert: »Wenn ich ruppig bin, gilt das nur eurer Leistung, ich kritisiere euch als Spieler, nie als Menschen.« Der Meinungsaustausch wurde trotzdem oft sehr persönlich.
    Mein Spieler Carlos Nevado zum Beispiel hat das erfahren, ein sehr sensibler Junge, der, als er im Alter von 21 Jahren zur Nationalmannschaft kam, psychisch noch nicht so stabil war. Ich erinnere mich an eine Trainingseinheit, er hatte sich tausendmal festgedribbelt, statt meinen taktischen Vorgaben zu folgen und rechtzeitig abzuspielen. Irgendwann platzte es aus mir raus. Vor allen Mitspielern brüllte ich ihn quer über den Platz an: »Wenn du jetzt nicht endlich dazulernst, kannst du dir deine Tasche holen und abhauen. Wenn du den Druck nicht aushältst, du Weichspüler, bist du hier falsch.« Total entgeistert, blass und traurig blickte er mich an. Für ein paar Sekunden herrschte Stille auf dem Platz. Dann ging das Training weiter. Carlos blieb.
    Als er dann, immer noch wenig Farbe im Gesicht, nach dem Training schweigend vom Feld schlich, ging ich auf ihn zu und legte ihm den Arm um die Schultern: »Du weißt doch, wie ich das meine. Du bist so ein starker Spieler, wir brauchen dich hier, aber du musst einfach weiterkommen und lernen.« Ich sah in seinen Augen und in einem kleinen erwiderten Lächeln, dass er meine Botschaft verstanden hatte und meine Flüche jedenfalls nicht mehr zu persönlich nahm. Das hoffte ich jedenfalls. Dieter Schürmann, unser Manager und mit meinen Stärken und Schwächen bestens vertraut, hat dann später zu Nevado gesagt: »Solange er dich anbrüllt, hat er großes Interesse an dir und ist überzeugt, dass es sich lohnt, mit dir zu arbeiten.« Heute weiß ich, dass ohne Vermittler wie Sch ue rmann und andere Mitstreiter mancher meiner Ausbrüche weit negativere Nachwirkungen gehabt hätte. Und ich weiß, dass der Rat und das Feedback meiner Mitarbeiter, auch meiner Führungsspieler, den Weg zu meiner eigenen Traineridentität maßgeblich geebnet haben. Trotzdem muss ich einräumen: Auch wenn ich wusste, dass sie mit ihrer Kritik richtig lagen, dauerte es meist bis zum nächsten Tag, bis ich in der Lage war, dies mir selbst, aber auch ihnen gegenüber zuzugeben. Erst dann korrigierte ich mein Verhalten gegenüber den betroffenen Spielern, gelegentlich habe ich mich auch entschuldigt.
    So änderte ich Schritt für Schritt mein Kommunikationsverhalten – auf dem Weg vom »Diktator« zum »weisen Diktator«. Schon immer habe ich mich, auch in meinen frühen Jahren, mit Menschen umgeben, die in ihren jeweiligen Fachgebieten besser Bescheid wussten als ich. Schon immer habe ich den Rat von Führungsspielern eingeholt. Doch erst in den letzten Jahren meiner Trainerarbeit war ich in der Lage, diesen Rat auch wirklich an mich heranzulassen, ihn nicht nur rational zu akzeptieren, sondern auch zu verinnerlichen. Die Folgen waren frappierend: Nicht nur die Ratgeber in meiner Umgebung waren plötzlich weitaus motivierter – spürten sie doch, dass ihre Anregungen nicht nur als Teil eines ausgetüftelten Plans angenommen und (aus)genutzt, sondern von mir auch verinnerlicht und mit großer Emotionalität weitergegeben wurden. Auch auf die Spieler hatte meine größere Offenheit stimulierende Wirkung. Fast schien es, als würden sie sich noch mehr engagieren für unsere gemeinsamen Ziele, weil sie nun, jedenfalls mittelbar, den Weg zu diesen Zielen mit beeinflussen konnten.
    So wurde die »Transparenz« zu einem der zentralen Begriffe meiner weiterentwickelten Identität. Hatte ich jahrelang Trainingspläne, nach ausführlicher Beratung mit Mitarbeitern, doch stets letztlich für mich allein entwickelt (und dann auch Spiegelstrich für Spiegelstrich durchgezogen), stellte ich mich später darauf ein, auch im laufenden Betrieb, während Trainingseinheiten oder Lehrgangswochen, meine Pläne zur Diskussion zu stellen und sie gegebenenfalls auch über den Haufen zu werfen. Dass dies

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