Fuehrungs-Spiel
vor allem daran, dass sie meine andere Seite, die fürsorgliche, so gut kannten und wussten, dass sie sich auf mich in buchstäblich jeder Beziehung verlassen konnten. Darauf, dass ich mich für sie als Menschen mindestens so interessierte wie für ihre Leistung, für ihre Berufsausbildung und ihre privaten Sorgen mindestens so wie für ihre Ausdauerwerte oder die Qualität ihrer Hockeytechnik. Sie schenkten mir großes Vertrauen und ich schenkte es ihnen, ich gestattete ihnen Einblicke in meine Schwächen und war offen für ihre. Das schützte sie und mich jedoch nicht vor den schwierigen Momenten der Entscheidung.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ich in den leider meist nur verhältnismäßig kurzen Phasen unseres Zusammenseins bei Lehrgängen oder rund um die Spiele mit dieser provokanten, oft verletzenden und offensichtlich unpädagogischen Methode das Optimale erreicht habe. Nie hätten die Spieler so schnell gelernt, wenn ich sie immer in ihrer Komfortzone gelassen hätte. Aus meinem Anspruch allerdings, die Spieler als Gesamtpersönlichkeiten und eben nicht nur als Leistungsmaschinen zu führen, ergab sich, dass ich viel Zeit und emotionale Energie darauf verwenden musste, ihnen diese beiden Seiten meiner Führungsphilosophie, den Kumpel und den Despoten, nahezubringen. Meine Devise lautete: »Nur wenn du extrem bist, bist du auch extrem erfolgreich.«
Gewiss war es auch unser steter gemeinsamer Erfolg, der dazu führte, dass die Spieler mir und meiner Methode folgten, die uns alle oft genug an unsere Grenzen führte – an die emotionalen und auch an die körperliche Leistungsgrenze. Als Despot allein wäre ich nie so weit gekommen, mit einem reinen Kumpel als Trainer wären wir nie zweimal hintereinander Weltmeister geworden. So hatte ich über die Jahre zu einer Identität gefunden, war – mal mehr, mal weniger – Partner, Pedant und Psychologe.
Selbst vertrauen: Nur wer sicher ist, kann Sicherheit geben
Im Spiel mit dem Wort » Selbstvertrauen « entstehen zwei Eigenschaften, die sich bei Menschen, die Verantwortung für andere tragen, wechselseitig bedingen und beeinflussen können. Auf der einen Seite »sich selbst vertrauen«, das Gefühl also, sich auf die eigenen Fähigkeiten verlassen zu können. Auf der anderen Seite »selbst vertrauen«, die Fähigkeit, als Führungsfigur dem Team und dessen einzelnen Mitgliedern sein eigenes Vertrauen zu schenken.
Sodann entsteht im günstigen Fall ein Kreislauf des Vertrauens: Wächst das Selbstvertrauen in mir, kann ich als Führungsfigur auch mehr Sicherheit geben und ausstrahlen auf das Team. Im Lauf meiner Karriere habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mit wachsendem Selbstvertrauen zunehmend in der Lage war, selbst zu vertrauen – den Spielern, ihrer Stärke und Selbstständigkeit. Diesen Kreislauf beschreibe ich ausführlich im zweiten Kapitel – Abschnitt »Vertrauen: Durch Nähe zum Erfolg«.
Nun ist Vertrauen immer eine Angelegenheit, die auf Gegenseitigkeit beruht. So bekam ich von den Spielern das in sie gesetzte Vertrauen zurück, indem sie mir und meinen Fähigkeiten und Maßnahmen vertrauten und meine Arbeit – mir gegenüber, untereinander und auch öffentlich – anerkannten. Wenn ein erfahrener Weltklassestürmer wie Ma t thias Witthaus sich in der Zeitung mit den Worten zitieren ließ: »Wir haben den besten Trainer der Welt!«, dann wusste ich, dass er übertrieb, muss aber zugeben, dass mich das auch ein wenig stolz machte, vor allem aber stärkte es mein Selbstvertrauen, das ich dann wiederum an die Spieler weiter- und zurückgeben konnte.
Diese Form des Selbstbewusstsein-Transfers erlebte ich schon sehr früh in meiner Karriere: Es war im November 1989, auf meiner ersten Tour nach Pakistan mit den Junioren. Wir erhielten im fernen Lahore die Nachricht, dass Klaus Kleiter als Herren b undestrainer entlassen worden war. Meine jungen S pieler um Kapitän Florian Kunz hatten nun die Angst, dass sie mich bei einer verbandsinternen Trainerrotation als Trainer verlieren könnten. Sie wollten mich aber unbedingt behalten und formulierten – ohne mein Wissen – aus Pakistan eine entsprechende Bitte an das Präsidium des Deutschen Hockey-Bundes. Als ich später vom Inhalt des von allen unterschriebenen Briefes erfuhr, hat mir das für meine Arbeit unendlich viel Selbstvertrauen gegeben. Solche Zeichen des Vertrauens seitens des Teams wirkten auf meine Psyche nachhaltig positiv. Jede Führungspersönlichkeit, die aus ihrem Team
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