Fuehrungs-Spiel
Ausgleich auf einer sportfernen Ebene finden? War es nicht auch so, dass ich ihnen erklärte, dass dies zu höherer Leistungsbereitschaft, größerer Flexibilität und nicht zuletzt zu größeren Erfolgen führen würde? Ich habe dies im zweiten Kapitel im Abschnitt »Begleiten: Verantwortung weist den Weg« ausführlich beschrieben. Für meine Spieler war diese zweite Ebene meist ihr Studium oder eine Berufsausbildung. Für mich, das wurde mir klar, war es meine Familie. Es bedurfte einer echten Führungspersönlichkeit, meiner Frau, die mich auf dem Weg zu dieser Erkenntnis begleitete.
Als ehrgeiziger, oft in sich gekehrter und – um es vorsichtig auszudrücken – nicht besonders redseliger Mensch war dies kein einfacher Weg, dafür aber einer, der ungeheuer reichhaltig an Erfahrungen war: Meinen kleinen Kindern war es nämlich egal, ob ich Weltmeister geworden war oder Letzter bei einem Vorbereitungsturnier. Das war zunächst irritierend. Ganz schnell ist der Weltmeister zu Hause auf dem Teppich gelandet, aber der Verlierer eben auch aufgefangen. Der Olympia t eilnehmer musste trotzdem den Tisch abdecken oder den Müll rausbringen, unabhängig davon, ob und welche Medaille er mitgebracht hatte. Ich merkte, dass mir diese Rolle, so gewöhnungsbedürftig sie war, zunehmend guttat: Das Rasenmähen war plötzlich nicht mehr verlorene Video- a nalyse-Zeit, sondern aktives Akku-Aufladen. Wenn ich politische Sachbücher oder Zeitungen las, spürte ich, dass mein Interesse an ganz anderen Themen wuchs, dass ich es besser zulassen konnte, Zeit und Energie in sportfremde Bereiche zu »investieren«. Und dass mich das – wie ich es meinen Spielern immer vorhergesagt hatte – mit größerer Energie und Lust zum Hockey-Kerngeschäft zurückkehren ließ.
So lernte ich das »Abschalten« – was mich betrifft – immer besser. Weitaus schwieriger war diese Frage jedoch in Bezug auf mein Handy zu beantworten. Wer wie ich als Führungskraft die Nähe zu seinen Spielern als ein zentrales Element einer »emotionalen Führung« definiert, für den spielt der Satz »Du kannst mich jederzeit erreichen« eine zentrale Rolle. Ich habe diesen Satz wörtlich genommen. Mein Handy war nie ausgeschaltet. Wenn ich, wie häufig, Mittagsschlaf hielt, stellte ich es auf »lautlos«, meist zeigte das Display danach mindestens: »Vier neue Anrufe.« Was ich damit sagen will: Die Spieler nutzten das Angebot, respektierten aber die Privatsphäre – abends und nachts klingelte das Handy nur, wenn es wirklich dringend war. Und wenn es dringend war, half ich sofort.
Wenn sich zum Beispiel einer meiner Jungs verletzt hatte, vermittelte ich ihm noch in der Nacht einen Arzt meines Vertrauens, weil ich wusste, dass es bei Verletzungen oft wirklich um Stunden gehen kann, die darüber entscheiden, wie die Heilung verläuft. Auch heute ist mein Handy nie aus, ich habe aber gelernt, es klingeln beziehungsweise vibrieren zu lassen – nicht nur bei Sitzungen, sondern auch beim Abendessen.
Wer wie ich das Glück hat, mit seiner Partnerin, zunehmend auch mit den älter werdenden Kindern und natürlich mit guten Freunden über seine Arbeit sprechen zu können, trägt ein Risiko. Das Risiko heißt: Einmischung. In meinem Fall handelte es sich um eine ganz spezielle Form der Einmischung. Denn meine Frau Britta hatte zwar, bis sie mich kennenlernte, keinerlei Beziehung zum Hockey. Doch sie begeisterte sich für diesen Beruf innerhalb kurzer Zeit.
Angesprochen auf die Anfangsphase unserer Hockey-Gespräche würde sie heute sagen: »Du hast nichts rausgelassen, alles in dich reingefressen und warst für Kritik nicht wirklich empfänglich.« Ich könnte ihr nicht widersprechen. Es fiel mir am Anfang unendlich schwer, mich zu Hause Brittas kritischen Fragen zu stellen, zumal sie nicht die Wahl der Taktik als vielmehr meinen Umgang mit den Spielern betrafen. Irgendwann einmal hatten wir verloren und ich brummelte: »Es lag an unseren schlechten Ecken, sie packen es einfach nicht!« Sie antwortete: »Ich glaube, du hast die Jungs in der Vorbereitung mal wieder einfach überfordert.« Das saß.
Ich wusste, wie stolz meine Frau auf mich und die Leistungen unseres Teams war – und trotzdem provozierte mich ihre Kritik ungemein. Heute weiß ich , warum: Sie hatte recht. Meistens. Und weil sie sich so intensiv mit meiner Arbeit und dabei vor allem mit den Anlagen der Menschen, nicht so sehr mit jenen des Spiels, beschäftigte, war sie nicht nur eine mir nahestehende,
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