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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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nach diesem laut Horoskop
ruhigen und angenehmen Wochenende wurde Mechthilds Tante beerdigt. Während ich
mich allein durch die Vormittagssprechstunde schlug, dachte ich an den Friedhof
mit seinen Pappelwegen und stillen Steinen und an Mechthild inmitten der
Trauergemeinde. Schwarz stand ihr sicher gut.
    Ich war froh, als ich meinen alten
Seemann als letzten im Sprechzimmer hatte. Ich schrieb ihm sein Rezept, und er
erzählte vom heldenhaften Kampf seines Fußballvereins. Früher wäre der Sturm
besser gewesen als die Hintermannschaft, mit Ausnahme des Torwarts. Heute sei
es umgekehrt. Die Hintermannschaft hielte den Teufel auf, aber der Sturm tauge
nichts, alles Nieten, kein Angriffsgeist, keine Schußkraft. Wo das noch hinführen
solle.
    Ich wußte es nicht, aber ich tröstete
ihn. Es könnte sich von heute auf morgen wieder ändern, und wenn die
Hintermannschaft wieder so schlecht wäre wie der Sturm jetzt, dann wäre die
Leistung wenigstens einheitlich.
    Als er fort war, räumte ich notdürftig
auf, um der trauernden Mechthild nicht zu viel Arbeit zu hinterlassen. Ich
hatte keine Lust, mich nun auch noch an meinen häuslichen Herd hinzustellen und
den Eiern in der Pfanne zuzusehen. Deswegen packte ich meine Besuchstasche,
holte den Wagen heraus und fuhr um ein paar Ecken in ein Lokal, in dem die
Größe der Portionen zu ihren Preisen noch in einem einigermaßen vernünftigen
Verhältnis stand. Ich bestellte mir einen Schnaps, um den Appetit noch mehr
anzuregen, was gar nicht nötig gewesen wäre, ein Bier gegen den Durst und
schließlich ein Kalbssteak für den Magen. Dann sah ich mich um. Es war das
übliche Bild von ein Uhr mittags.

    Sekretärinnen aller Altersklassen.
Vertreter, die sich am liebsten noch für das Händewaschen eine Quittung hätten
geben lassen. Zwei Arbeitgeber in flüsterndem Gespräch über den stagnierenden
Umsatz. Ein Student mit Studentin, mit der stillen Hoffnung auf andere Themen
als die der letzten Vorlesungen. Und ein Outsider, der nicht so richtig
dazugehörte. Das war ich. Ich hatte streng vermieden, mich näher bekannt zu
machen, um zu verhindern, daß mir die Kellnerin ihre Beschwerden schilderte.
Die konnten unerbittlich sein. Während ich aß, blätterte ich in der Zeitung
herum und las im Horoskop, daß der Tag ohne besondere Vorkommnisse zu Ende
gehen werde. Trotz dieser Ankündigung beschloß ich, den Vorsatz auszuführen,
den ich seit Sonntag in mir herumtrug.
    Ich verließ das solide Lokal und fuhr
meine Besuchstour. Gegen vier war ich fertig. In einem Espresso trank ich einen
kräftigen Kaffee. Dann setzte ich mich in den Wagen und suchte auf meinem
Stadtplan die Beethovenstraße. Sie lag im Musikviertel, wie es sich gehörte, mehr
zur Peripherie hin und abseits vom weltlichen Getriebe. Langsam rollte ich
durch den einsetzenden Berufsverkehr, bis die. ersten Namen der Tonkünstler
auftauchten. Mozart mündete direkt in Beethoven.
    Das Haus Nummer sechs war hoch und aus
wuchtigen Steinen. Wieder so etwas Solides von 1910. Der Eingang lag auf der
linken Seite, durch eine Toreinfahrt konnte man ihn erreichen. Aber schon neben
dem Tor sah ich ein ehrwürdiges Emailleschild. Ich hielt. Da stand:
    Alma Wiebach-Thomsen.
    Musikpädagogin.
    Unterricht in Gesang, Klavier,
Musiktheorie.
    Sprechzeiten nach Vereinbarung.
    Am linken Pfeiler der Haustür war ein
Klingelschild mit teilweise recht vergilbten Namenszetteln. Ich suchte darauf
herum.
    Wiebach-Thomsen 1. Stock.
    Früher wohnte im ersten Stock, wer etwas
auf sich hielt. Das bedeutete, daß die Bewohner des Erdgeschosses und der
zweiten Etage dem musikpädagogischen Krach ausgesetzt waren. Andererseits sah
der Bau massiv genug aus, um auch dem durchdringendsten Heldentenor
standzuhalten.
    Im Treppenhaus sah ich viel
Marmorimitationen, und es war entsprechend kühl. Ich stieg langsam empor und
überlegte, was ich sagen sollte. Eigentlich ein verdammter Blödsinn, meine Nase
in diese Dinge zu stecken.
    Ich ging immer langsamer, aber trotzdem
erreichte ich den ersten Stock. Nur eine Partei pro Etage, und neben der Tür
der gleiche Text wie unten, nur auf einer kleineren Tafel. Ich wartete noch ein
paar Sekunden und überlegte mir meine Antrittsrede. Dann zog ich mannhaft an
dem Klingelgriff, der in einen Löwenkopf aus Messing ausgearbeitet war.
    Zuerst ereignete sich nichts. Mit
Erleichterung dachte ich: Mensch, es ist niemand da. Du hast es versucht, es
war nichts. Du kannst einen ehrenvollen Rückzug antreten und ruhig

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