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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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seidene Tasche für meinen Lippenstift und meine Zigaretten. Natürlich hätte ich eine diamantenbesetzte Zigarettenspitze, die ich so halten würde.« Sie warf den Kopf zurück, sodass ihr ihre lockige Mähne mit einem Schwung über den Rücken fiel. Dann nahm sie die Pose ein, die sie sich von der Schauspielerin abgeguckt hatte: Ihre Augen blickten seelenvoll, sie hielt eine imaginäre Zigarettenspitze in die Höhe und tänzelte durch das Nähzimmer, zog an ihrer imaginären Zigarette und blies imaginären Rauch in die Luft. »Das geheimnisvolle Fräulein Joseph, der Stolz von Wien, alle jungen Männer schmelzen dahin vor Liebe und duellieren sich ihretwegen.« Tanni schwenkte ihre imaginäre Schleppe, so wie sie es bei der amerikanischen Schauspielerin gesehen hatte, sah über die Schulter nach hinten und klimperte mit den Augen. Ihre Mutter lachte und hätte fast eine Nadel verschluckt.
    Tanni hörte auf herumzustolzieren. Sie sehnte sich nach den Tanzstunden, an denen sie nun nicht mehr teilnehmen konnte, und vor allem nach ihrem jährlichen Abschlussball, dem »Kinderball«. Sie tanzte für ihr Leben gern und Anton hatte sie fast immerzu seiner Partnerin erkoren, weil sie beide groß waren für ihr Alter. Er tanzte wunderbar. Er sagte, alle Männer in seiner Familie seien gute Tänzer, doch die streng Orthodoxen tanzten bei Hochzeiten und an religiösen Feiertagen nur mit anderen Männern – sie hielten es für sündhaft, mit einer Frau zu tanzen. Von solchen altmodischen Vorstellungen hatte sich seine Familie väterlicherseits gelöst. Sie waren wie die Josephs moderne Österreicher.
    Tanni hatte sich vorgestellt, wie sie dieses Jahr zum Kinderball gehen würde – das Haar hochgesteckt, Blumen am Handgelenk, einfach fabelhaft aussehend – und wie sie in ihrem ersten richtigen Ballkeid mit Anton durch den Saal Walter tanzte. Er hatte versprochen mitzukommen, obwohl er eigentlich zu alt dafür war. In ihrem Traum schwebte sie über das Parkett und machte keinen einzigen falschen Schritt, bis alle anderen Tänzer von der Tanzfläche zurücktraten und ihnen Beifall klatschten. Dann wirbelte Anton sie nach draußen unter den Sternenhimmel und bat sie, seine Frau zu werden.
    Sie hatte ihn schon ewig nicht mehr gesehen, denn außer ihrem Vater ging kein Familienmitglied mehr aus dem Haus oder verließ den Garten mit seinen hohen Mauern. Die einzige Ausnahme waren die Hohen Feiertage, an denen sie zu den Gottesdiensten in der Synagoge ein Stück die Straße hinunterhasteten. Wenn sie vorbeigingen, murmelten ihre Nachbarn »Juden« und spuckten sie an.
    Die Atmosphäre im Nähzimmer, die eben noch für einen Augenblick ein wenig heiterer gewesen war, wurde nun wieder ernst. Man wusste nie, was man zu den Erwachsenen sagen sollte. Alle waren so launisch und gereizt. »Haben Sie in letzter Zeit von Bruno gehört?«, fragte Tanni Frau Zayman. »Was hat er Interessantes in London gemacht? Hat er den König und die Königin und die beiden Prinzessinnen durch die Straßen fahren sehen? Oder war er in diesem Museum mit den Figuren aus Wachs? Bitte, erzählen Sie uns etwas über ihn.«
    Das war ein Gesprächsaufhänger, der eigentlich immer funktionierte. Frau Zayman konnte stundenlang von ihrem angebeteten Bruno und den Neuigkeiten erzählen, über die er in seinen Briefenschrieb. Bruno war ein dicklicher, ernsthafter Junge, zehn Jahre älter als Tanni und viel kleiner. Er war schrecklich schlau und Frau Zayman, deren Mann gestorben war, als Bruno noch ein kleiner Junge war, hatte geknausert und gespart, um ihn zum Studium nach England schicken zu können. Tanni wusste, dass ihre Mutter Kleider bestellte, die sie eigentlich gar nicht brauchten, um Frau Zayman bei ihren Ausgaben für Bruno zu unterstützen, und ihr Vater zerriss absichtlich den Futterstoff oder die Taschen in seinen Mänteln, damit sie sie reparieren konnte.
    Frau Zayman erzählte stolz die letzte Neuigkeit: Man hatte Bruno eine Dozentenstelle in Oxford angeboten, eine große Anerkennung für einen herausragenden ausländischen Studenten. Dann verstummte sie, was so gar nicht ihre Art war. Tanni bemerkte, wie ihre Mutter und die Schneiderin einen vielsagenden Blick tauschten. Was hatte sie denn jetzt wieder Falsches gesagt?
    Tanni versuchte es noch einmal. »Eines Tages möchte ich nach London fahren, wie Bruno«, verkündete sie fröhlich. »Dann sehe ich mir den Zoo an und die Kronjuwelen und die Soldaten, die vor dem Buckingham Palace auf und ab

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