Fünf Freunde und der Zauberer Wu
spielt ihr so irrsinnig schnell? Ihr wißt doch, daß wir in diesem Tempo unseren Trick nicht bringen können. Wollt ihr unsere Nummer unbedingt schmeißen?«
Der Kapellmeister schrie irgend etwas zurück. Es mußte etwas ziemlich Unverschämtes sein, denn einer der Eselsmänner ging mit geballter Faust auf die Band los.
»Ruhe!« brüllte eine Donnerstimme, daß die Streitenden verstummten. Es war der alte Tapper, der mit seinem dröhnenden Baß dazwischenfuhr. »Pat und Jim, raus aus der Manege: Ich gebe hier die Anweisungen, nicht ihr. Schluß jetzt, sage ich!«
Die beiden Eselsmänner zitterten zwar vor Zorn, wagten jedoch keine Widerrede, sondern packten ihre Haut und schlichen davon.
»Der todsichere Schütze« sah in seinem schmuddeligen Jogginganzug recht unscheinbar aus.
»Er probt seinen Auftritt jetzt gar nicht«, erklärte Achim. »Ihr werdet ihn dann schon an einem anderen Abend sehen, wenn wir richtige Vorstellung haben. Der schießt auf alles mögliche und unmögliche, sogar auf ein Markstück, das an einer langen Schnur vom Dach herunterhängt. Und nie trifft er daneben. Er hat ein tolles Kostüm, auf seine Hose und sein Jackett sind lauter Goldmünzen genäht, das sieht echt klasse aus. Und sein kleiner Schimmel, der ist auch das reinste Wunder. Ständig läuft er um die Ringbahn, und ihm sträubt sich auch nicht ein Härchen, wenn Dick sein Gewehr abfeuert. Da steht er am Eingang und schaut, ob Dick zu ihm zurückkommt.«
Ein kleines, weißes Pferd stand am Manegeneingang und scharrte ungeduldig mit dem Vorderhuf, als wollte es sagen: »Nun mach schnell, ich warte.«
»Schon gut, Dick, du kannst wieder gehen!« rief Großvater Tapper. »Ich höre, dein Kleiner hat sich am Fuß verletzt. Pfleg ihn gut, und laß ihn heute nacht lange schlafen! Morgen brauchen wir den Schimmel wieder!«
»Alles klar, Herr Direktor!« sagte der Artist und eilte zu seinem Schützling.
»Was ist die nächste Nummer, Achim?« fragte Georg, der das Ganze großen Eindruck machte, gespannt.
»Weiß nicht. Warte, die Akrobaten, glaube ich. Aber die Trapeze hängen noch nicht. Da werden sie heute abend nicht probieren. Statt dessen muß dann gleich der Schlangenmensch erscheinen. Da ist er schon!«
Der »Knochenlose« war eine recht merkwürdige Erscheinung.
Endlos lang und dürr, bewegte er sich schlacksig und geschmeidig.
»Also völlig knochenlos ist er doch nicht«, meinte Dick lachend. »Sonst könnte er überhaupt nicht laufen.«
Doch dauerte es nicht lange, da sah dieser Schlangenmensch wirklich so aus, als habe er keine Knochen. Die Beine rutschten ihm unter den Knien weg, und die Gelenke verdrehten sich, während er langsam zu Boden sank. Seine Glieder verbogen sich in sämtlichen Richtungen, und sein Kopf machte eine Wendung von mindestens hundertachtzig Grad. So verrenkte er sich von oben bis unten auf die Weise, bis er sich schließlich wie ein Reptil auf der Erde wand.
»Bei der Aufführung hat er dann so eine Art Schlangenhaut an«, erzählte Achim. » ‘ne irre Nummer, findet ihr nicht?«
»Wie er das nur macht?« wunderte sich Julian. »Er scheint Arme und Beine und alles nach der verkehrten Richtung abzubiegen. Mir tut schon vom Zuschauen alles weh, ich kann gar nicht hinschauen!«
»Für ihn ist es gar keine Kunst«, erzählte Achim. »Er ist so gebaut, hat lauter Schlottergelenke, oder wie das heißt. Da hängen die Arme und Beine so schlenkrig drin, daß man wirklich glauben könnte, er hat keine Knochen. Er ist ein netter Kerl. Ich mag ihn gern und komm’ prima mit ihm aus.«
Anne fand ihn dagegen ein bißchen gruselig. Was für seltsame Geschöpfe sich in so einem Zirkus zusammenfanden! Es war eine eigenartige, irgendwie unwirkliche Welt. So sehr war sie in Gedanken versunken, daß sie fürchterlich zusammenfuhr, als ein lauter Trompetenstoß die Probe beendete.
»Wir werden zum Abendessen gerufen!« verkündete Achim fröhlich. »Uroma wartet mit ihrem Eintopf auf uns.«
Lagerfeuer
Draußen war schon tiefdunkle Nacht, als Achim die Kinder aus dem erleuchteten Zirkuszelt führte. Sie gingen über die Wiese auf ein großes Feuer zu. Im Näherkommen sahen sie, daß die einfache Herdstelle lediglich aus ein paar geschickt aufgeschichteten Steinen bestand. Und über den lustig prasselnden Flammen hing ein riesiger Kupferkessel, aus dem ihnen ein köstlich würziger Duft in die Nase stieg.
Geschäftig rührte die alte Großmutter im Topf herum. »Spät heute, hat lang
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