Fünf Kopeken
die Fliesen ergoss, die Fugen entlangschoss, in den Gang, unter die Regale. Sie ging in die Hocke, begann, die Glassplitter in die Hand zu lesen, hörte, wie Arno »Ach herrje!« rief. Er beugte sich nach unten, blieb dann aber doch irgendwo auf halber Strecke hängen und schaute sich hilflos um. Das Geschrei brach ab, sogar die Frau mit dem Kopftuch öffnete die Kabinentür und lugte hinaus.
Der kleine Verkäufer rannte herbei und warf wieder die Hände in die Luft.
»Bitte nicht Freilein, ich machen«, rief er und lief zur Kasse.
Meine Mutter kroch über den Boden, von dem ein künstlich süßes Aroma aufstieg. Von den Scherben in ihrer Hand lief es in roten Bächen ihren Arm hinab. Nur ganz undeutlich sah sie die schwarzen Hosenbeine, die sich aus dem anderen Raum auf sie zubewegten, immer näher kamen, endlich kurz vor ihr stehen blieben, gerade weit genug entfernt, dass die schäumende Brühe nicht die Lederschuhe berührte.
Aus der anderen Richtung kam der Verkäufer zurückgelaufen, einen Eimer Wasser in der Hand. Er ließ einen schmutzigen Putzlappen auf den Boden fallen, der sich sofort leuchtend pink färbte.
»Freilein, nicht«, rief er, »Sie kaufen, ich machen.« Er wies mit der Hand zur Kasse. Dann schaute er über die Schulter und brüllte wieder etwas, was meine Mutter nicht verstand. Arnos Hand berührte sie am Arm. »Lass doch«, sagte er.
»Dawai«, rief der Verkäufer und fuchtelte aufgeregt, bevor er selbst in die Hocke ging und den Lappen über den Boden zog.
Die Lederschuhe kamen noch näher. Meine Mutter zuckte zurück, während sie neben ihr über die Pfütze stiegen. Sie sah die Sohlen, die wohl doch ein bisschen was abgekriegt hatten, sah die zartrosa Spur, die sie hinterließen, während er den Gang entlanglief, hinter den Bierkästen verschwand, sodass sie endlich aufsehen konnte. Und direkt in die Augen meines Vaters blickte, die schon ungeduldig auf sie warteten. Seine Hand legte sich ganz um ihren Oberarm.
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Ich will nur schnell … «
»Nix«, sagte der Verkäufer. Er wrang den Lappen über dem Eimer aus und ließ ihn zurück auf den Boden klatschen. »Ich machen, ruckizucki«, sagte er und trieb die Sektwelle vor seinem Lappen auf meine Mutter zu.
»Na komm«, sagte Arno.
Meine Mutter ließ sich von ihm nach oben ziehen, schaute betreten auf den geringelten Buckel, der sich unter ihr krümmte. »Tut mir wirklich leid.«
»Nix schlimm«, sagte der Verkäufer und machte eine wegwerfende Bewegung, mit der er noch mehr Sekt auf sie spritzte.
Meine Mutter rieb sich die Hände am Hosenboden ab. »Sind Sie sicher?«
»Sicher, sicher«, rief er ungeduldig. »Sie kaufen.«
Arno nickte meiner Mutter zu. Er tänzelte um die Lache herum, die immer weiter auseinanderlief, wartete, bis sie ihm nachgekommen war und legte seine Hand in ihren Rücken. Mit der anderen hielt er noch immer die zweite Flasche fest.
»Dann wohl den Weißen, was?«, sagte er lachend und schob sie den Gang entlang, so schnell, dass ihr keine Zeit zum Nachdenken blieb. Nur zum Rotwerden, dafür reichte es natürlich. Sie senkte die Augen, folgte dem Rinnsal, das zwischen den Fliesen bis zur Kasse stand.
Arno stellte die Flasche auf den Tresen.
»Außerdem?«, hörte sie seine Stimme, zum ersten Mal, zumindest seitdem sie wusste, dass es seine war.
»Ein Yes-Törtchen, bitte«, sagte Arno und beugte sich neugierig nach vorne, um einen Blick auf den Fernseher zu werfen. »Und natürlich die Flasche auf dem Fußboden.«
Hinten rumpelte es erneut.
»Er sagt, die geht aufs Haus«, sagte er.
»Nicht doch«, rief Arno aus, und dann noch mal lauter den Gang entlang, »das zahlen wir natürlich!«
Der kleine Mann rief etwas zurück.
»Lassen Sie uns doch den Schaden übernehmen«, versuchte es Arno noch einmal.
»Nichts zu machen. Er sagt, solange die Ware das Geschäft nicht verlässt, wird auch nicht bezahlt«, übersetzte er.
Aus den Augenwinkeln sah sie seine Hände, die unter den Tresen griffen und einen Block hervorzogen, ein paar Zahlen darauf schrieben, mit dem Stift von einer Zeile zur anderen fuhren.
»Mein Geld ist in deiner Handtasche«, sagte Arno.
Meine Mutter zog den Henkel von der Schulter, zupfte mit ihren roten Fingern einen Schein aus dem Portemonnaie und legte ihn schnell auf den Tresen, bevor er ihn ihr aus der Hand nehmen konnte. Aber ihre Augen hielten es nicht länger da unten aus. Ohne dass sie es ihnen erlaubt hätte, schossen sie nach oben und
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