Fuenf Maenner Fuer Mich
verschimmelte Packung Frischkäse leer. Ich versuche, meine Freundinnen zu erreichen: Wer hat Lust, mit mir frühstücken zu gehen? Ich erreiche keine. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, der Einsamkeitskloß. Ich schreibe noch ein paar SM Keine Reaktion. Gerade will ich wieder ins Bett schlüpfen und mich unter der riesigen Doppelbettdecke vergraben, da ertönt ein rettendes „Pling“. Jemand hat meinen Hilferuf erhört. Es ist Buddha: „Spring in ein Taxi und komm her!“, fordert er mich auf.
Auf dem Weg zu ihm über die regennassen Straßen blubbern die Tränen hoch. Ich will nicht heulen. Aber sie bahnen sich hartnäckig ihren Weg, sooft ich sie auch runterschlucke. Als er mir die Wohnungstüre öffnet, falle ich ihm um den Hals. In seinem Engelhimmelsstudio brennen Kerzen, es duftet nach Räucherstäbchen, sanfte Harfenklänge ertönen. Er hat Frühstück für mich gemacht: frisches Rührei, knusprige Brötchen, perfekt aufgeschäumte Latte macchiato, gekochter Schinken und Marmelade. Ich kann es nicht glauben. Ich drücke ihn so fest, dass ich Angst habe, ihm die Rippen zu brechen. Dieser Mann hat einen siebten Sinn für die Herzensnöte seiner Freundinnen und weiß genau, was zu tun ist, um traurige Seelen sicher wieder auf den Weg der Zuversicht zu bringen.
Nach dem Frühstück lädt er mich auf sein berühmtes Lottersofa ein. Aber wir lottern natürlich nicht. Eine flauschige Plüschdecke wartet da, er legt eine DVD ein und wir gucken den romantischen Spielfilm „Chocolat“, während er mich in den Armen hält und unermüdlich streichelt. Das ist eine Rettung vom Feinsten. Liebe heißt eben nicht nur, Menschen loszulassen, wenn sie gehen wollen. Liebe bedeutet auch, den anderen festzuhalten, bevor er fällt.
In Annos Stimm-Werkstatt
Anno gibt mir eine Probestunde in seiner Stimm-Werkstatt. Sie liegt im Industriegebiet von Rodenkirchen und er empfängt mich herzlich in seinem sonnendurchfluteten Seminarraum mit Parkettboden, großem Spiegel und Wandklavier. Ich soll mich in Sichtrichtung zum Klavier stellen, er schlägt ein paar Akkorde an und lässt mich blubbernde Geräusche von mir geben. Er nickt zufrieden. Das Blubbern mache ich gut. Die nächste Übung heißt „Zischen“. Er gibt mir den Deckel eines Stabilostiftes, der als kleines Ventil fungiert. Nun atme ich gleichmäßig und kräftig durch dieses Ventil aus, immer weiter und weiter, bis das allerletzte Quäntchen Luft aus meinen Lungen rausgepustet ist.
Dann soll ich die Bauchmuskeln entspannen. Nicht einatmen, der Atem strömt von ganz alleine ein, ohne jede Kraftanstrengung. Wir wiederholen das ein paarmal und ich bin überrascht. Ich muss gar nicht atmen? Ich muss gar nichts machen, um Luft zu bekommen? Das Atmen geht von ganz alleine! Was für eine Entdeckung: Ich könnte tanzen vor lauter Leichtigkeit.
Reise nach Anatolien
Ich werde erst an diese Reise glauben, wenn wir gemeinsam ins Flugzeug steigen. Tekim hat mich eingeladen, in sein Dorf zu kommen, mitten ins tiefste Anatolien.
Der Tag der Abreise ist der reinste Horror. Die Nacht davor will er bei mir schlafen, kündigt sich für zwei Uhr nachts an. Er müsse noch Bürokram erledigen – sagt er. Es wird zwei, halb drei, ich schlafe ein. Dann wache ich schlagartig wieder auf, mein Puls schießt hoch, das Herz rast. Ich weiß, er ist wieder bei einer anderen, das spüre ich. Dafür brauche ich keine Kamera mehr. Ich hab gelernt, durch die Wände zu gucken. Und was dann noch fehlt, sehe ich in meinen Träumen. Ich könnte inzwischen mein Geld als Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt verdienen, so hoch ist meine Trefferquote.
Ich schalte mein Telefon aus und versuche zu schlafen. Aber es hat keinen Sinn. Ich fühle mich wie gerädert. Um drei Uhr klingelt es. Er steht strahlend vor mir, bemerkt meinen zerzausten Seelenzustand und schubst mich zärtlich Richtung Bett. Er umarmt mich, spürt mein rasendes Herz, flüstert: „Nimm dir doch die Dinge nicht so zu Herzen.“ In seinen Armen schlafe ich ein.
Für den nächsten Morgen habe ich den Wecker für sieben Uhr gestellt, er muss noch zum Einwohnermeldeamt, seinen neuen Pass abholen. Mir schießen böse Gedanken durch den Kopf: Er hat bestimmt nur bei mir übernachtet, damit ich ihn morgens wecke. Nimmt mich als Garantieschein fürs pünktliche Aufstehen und als Fahrerin, weil er seinen Führerschein abgeben musste. Das schmeckt fad nach Benutztwerden, das kenne ich aus meinem alten Leben.
Um sieben Uhr sitze ich hellwach
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