Fünf: Schwarzwald Thriller 1
doch passiert sein.«
»Wenn du so bettelst«, lachte ihre Mutter. »Also gut. Ich hoffe, du sitzt. Stell dir vor …«
Eine knappe Stunde später wusste Katrin wieder Bescheid. Ein paar der Namen, die ihre Mutter genannt hatte, hatten Katrin nichts gesagt, da es sich um Neuzuzüge handelte, aber immerhin wusste sie jetzt, dass der alte Herr Brandner mit Hirnblutungen im Sterben lag und dass eine stark angetrunkene Frau gestern im Geschäft ihrer Eltern aufgetaucht war, sich dort mit noch mehr Alkohol eingedeckt hatte und danach gegen ein Verkehrsschild gefahren war. Helfer hatten die Polizei gerufen.
Außerdem hatte ihre Mutter verkündet, dass wieder eine ihrer Klassenkameradinnen ein Baby bekommen hatte.
Den leichten Vorwurf in der Stimme ihrer Mutter ignorierte Katrin. Sie war noch jung genug, um vier oder fünf Kinder bekommen zu können.
Bei dem Gedanken verfiel Katrin ins Träumen. Ob Darren auch Kinder wollte? Sie hatten darüber noch nie gesprochen.
»Katrin, ich muss dich jetzt leider abwürgen. Ich muss noch Papas Abendessen vorbereiten und dann fängt in einer halben Stunde die Kirchenchorprobe an.« Ihre Mutter geriet ins Schwärmen. Wie immer, wenn die Sprache auf den Kirchenchor kam. »Weißt du«, sagte sie, »wir haben angefangen, eine neue Messe für Weihnachten einzustudieren. Missa Lumen von Lorenz Maierhofer. Oh, Katrin, die Messe ist so wunderschön. Die klingt so feierlich und mystisch. Die musst du dir unbedingt anhören, wenn du Weihnachten nach Hause kommst.« Ihr Redefluss brach so plötzlich ab, als wäre ihr ein schrecklicher Gedanke gekommen.
Katrin ahnte bereits, was kommen würde und sagte, bevor ihre Mutter ein Jammerlied loswerden konnte: »Ich komme an Weihnachten, Mama. Ganz sicher. Aber ich nehme mal an, dass ich nicht allein kommen werde. Du wirst Darren schon auch mit einladen müssen.«
Zunächst schwieg ihre Mutter, aber als sie dann endlich »Natürlich, mein Schatz. Bring ihn ruhig mit«, sagte, klang sie völlig aufrichtig.
Kinder. Daran hatte Katrin bis heute noch nie einen Gedanken verschwendet. Sie fand, das war mit Mitte zwanzig auch noch gar nicht nötig. Aber bis jetzt hatte sie auch nicht den richtigen Partner gehabt. Ihre letzten Beziehungen waren nur von kurzer Dauer gewesen. Bernhard, ein Kollege von der Polizeifachhochschule, hatte die Ausbildung abgebrochen und war in ein anderes Bundesland gezogen, als seine Mutter Opfer eines Verbrechens wurde, und Andreas, ein Zimmermann aus Donaueschingen, war bei einem mysteriösen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, bevor sie je ernsthaft ans Heiraten oder Kinderkriegen gedacht hatten.
Mit Darren war es anders. Ihre Beziehung hatte, bedingt durch die absurde Situation, in der sie sich kennengelernt hatten, gleich in einer Tiefe begonnen, in die sie mit ihren anderen Partnern vorher nie vorgedrungen war. Sie konnte es sich selbst kaum erklären. Aber am ehesten passte noch das Bild vom Topf und seinem Deckel zu ihnen. Außerdem fühlte sie sich an seiner Seite einfach glücklich. Darren gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. So, als würde er sich glücklich schätzen, dass er sie bekommen hatte. Bisher hatten ihr die Männer eher das Gefühl gegeben, sie müsste glücklich sein, genommen worden zu sein.
Obwohl Katrin in einer glücklichen Atmosphäre aufgewachsen war, hatte sie erstaunlich wenig Selbstbewusstsein entwickelt. Sie zweifelte ständig an sich. Das hatte sich erst geändert, als sie mit Josef Horn angefangen hatte zu arbeiten. Horn hatte ihr nie das Gefühl gegeben, eine junge, unerfahrene Polizistin zu sein, die nur gut zuhören und zuschauen sollte, um von ihm lernen zu können.
»Das sind Ihre Zuständigkeitsbereiche in unserem Team«, hatte er gesagt und ihr eine klar strukturierte Liste in die Hand gedrückt.
Was sollte denn jetzt der Scheiß , hatte sie gedacht und hätte ihm das gute Stück am liebsten um die Ohren gehauen.
Aber später, als sie Zeit gehabt hatte, die Liste einmal durchzuschauen, hatte sie erkannt, dass die Aufgabengebiete fair verteilt worden waren.
So hatte er es immer gehalten. Er hatte sie auch von Anfang an um ihre Meinung gebeten. »Ihre Augen sehen anders als meine«, pflegte er zu sagen, wenn sie mal wieder meinte, sie hätte in diesem und jenem Bereich noch zu wenig Erfahrung.
»Sie sehen Dinge, die ich schon nicht mehr sehe, weil sich im Laufe der Zeit die Sinne abstumpfen«, hatte er erklärt.
Er hatte sie vom ersten Tag an als vollwertige Partnerin
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